Anmietvorgang und Drumherum
Freitag Nachmittag ging es zum STR, gebucht war ursprünglich DCAR mit einer gewissen Upsellbereitschaft meinerseits. Als ich am Schalter (dank der Deutschen Bahn verspätet) ankam, begrüßte mich gleich schon von weitem mein Lieblings-RSA, und suchte direkt eifrig Schlüssel zusammen. Von Golf TDI, C180T und VW Arteon lagen schließlich die Schlüssel da, bis F. (Name an dieser Stelle zensiert, Dauerpendler weiß wen ich meine) fragte ob ich mir noch was in Flensburg leisten könnte und suchte versteckt aus einer Extrakiste den Schlüssel des Golf R raus. Da ich diesen schon länger mal fahren wollte, nahm ich das etwas höhere Up in Kauf und zog nach MV Erstellung und noch etwas Smalltalk glücklich Richtung Parkhaus ab.
Die Rückgabe am Dienstag verlief ohne jegliche Probleme, wobei der Arwe Mitarbeiter aber auch nicht wirklich nach Schäden suchte. Europcar oder grundsätzlich alle Vermieter sollten die Dienstleister in ihrem eigenen Interesse da vielleicht mal etwas disziplinieren.
Fahrzeugausstattung
Der stealthbomber-farbene Golf verfügte über nahezu Vollausstattung. 19 Zöller mit DCC, Ledersitze in Carbon-Optik, Business-Paket mit Navi Discover Media, Active Info Display, Keyless Entry, Pano, volles Assistenzpaket (Totwinkel, Lane Assist, ACC), DAB+, Dynaudio Soundsystem, Active Lighting
UND: R Performance Paket (u.a. Heckspoiler, Progressivlenkung und Aufhebung der Höchstgeschwindigkeitsbegrenzung)
Letzteres überraschte mich eigentlich sehr; falls jemand darüber Bescheid weiß ob das bei allen Golf R von EC zum Standard gehört kläre man mich gerne auf. Ich jedenfalls würde als Autovermieter meine Fahrzeuge ungerne von (sicherlich zumeist ungeübten) Mietern mit 270km/h+ über die Autobahn schießen sehen (die von VW angegebenen 263 stimmen nämlich erfahrungsgemäß nicht, auch ohne bergab).
Exterieur
Die Farbe ist sicherlich gewöhnungsbedürftig und Geschmackssache. In Kombination mit den schwarzen Spiegelkappen, den 19 Zöllern und dem Heckspoiler macht sie meiner Meinung nach aber einiges her.
Die Schweinwerfer und insbesondere das Tagfahrlicht spielen perfekt mit den großen Lufteinlässen in der Frontschürze zusammen. Als großer Fan von Laufblinkern finde ich diese in den Rückleuchten selbstverständlich klasse, zumal sie zur Serienausstattung gehören.
Das gesamte Heck wirkt durch den Heckspoiler und die vier Endrohre mit Mini-Diffusor natürlich (und zum Glück) sehr aggresiv, ist mir durch die Wölbung in der Heckklappe und die große Heckscheibe aber insgesamt zu bullig; beim Variant finde ich dies irgendwie gelungener.
Interieur
Selbstverständlich darf man bei einem Golf R keine Wunder im Innenraum im Vergleich zum normalen Golf erwarten, insgesamt stößt mir dies aber trotzdem leicht unangenehm auf, dazu später allerdings mehr wenn es um Preis-Leistung geht.
Das Carbon-Leder sieht schick aus, aber für einen so massiven Aufpreis (2750€) hätte ich mir eine höhere Qualität erhofft.
Die Sportsitze machen einen guten Job in puncto Seitenhalt und Komfort, und auch kleine Details wie die Carbonkappen am DSG Wählhebel gefallen mir gut.
Das Lenkrad hingegen empfinde ich für ein Sportlenkrad als zu dünn; das können Mitbewerber besser. Ebenso schade finde ich, dass für den Golf R der Standard VW Klappschlüssel (trotz Keyless) verwendet wird. Keine ausschließliche Funkfernbedienung, und auch kein extra Emblem für den R oder ähnliches.
Zudem quietschte nach gerade einmal 1800km das Bremspedal bei jeder Betätigung. Verarbeitungsqualität geht anders.
Fahrdynamik und Motor
Hierzu gibt es eigentlich nicht viele Worte zu verlieren. Der Sound zaubert im Race Modus mit Ploppen und Brabbeln ein Grinsen ins Gesicht, die Beschleunigung geht bis 200km/h gnadenlos vorwärts, das 4Motion erlaubt ein Launch ohne jeglichen Wheelspin. Das Kurvenfahrverhalten ist äußerst gut und der Golf R hat sich am Samstag mit viel Spaß durch den Schwarzwald prügeln lassen und auch auf der Autobahn wirkt er bei hohen Geschwindigkeiten noch stabil.
Das DCC Fahrwerk macht einen guten Job, auch wenn man besser nicht erwarten sollte dass der Comfort Modus wirklich ein komfortables Fahrwerk bietet. Dass der Mode Selector aber einen Eco Modus anbietet ist wohl eher ein gutgemeinter Witz. Wenn man möchte lässt sich der R jedoch auch halbwegs zivilisiert bewegen.
Ein großes Manko ist der Wendekreis, der so wirkt als müsse durch die großen Reifen der maximale Einschlag limitiert werden, wodurch ein einfaches Wendemanöver auf der Straße schnell zu einem vier- oder fünf-Punkt Wenden wird.
Als Mückenvernichtungs-Maschine eignet er sich hingegen hervorragend.
Das Drama Infotainment
Verbaut war leider nur das Discover Media, der Anfang vom Ende. Trotz der Möglichkeit von Online Services wie WLAN Hotspot etc. verfügt das Navi nur über das einfache TMC, Live Traffic sucht man vergebens und die Sprachbedienung ist nicht freigeschaltet.
Die Karte lässt sich nicht gleichzeitig im Instrumentenpanel und im Navi anzeigen, obwohl die Hardware dahinter wahrscheinlich die gleiche wie bei Audi ist. Entscheidet man sich die Karte im Kombiinstrument anzeigen zu lassen verleibt auf dem Hauptdisplay einfach ein schwarzer Bildschirm.
Sobald die Rückfahrkamera angeht fragt man sich welche Kartoffel da unter das VW Logo geklebt wurde und das Bild liefert; die Auflösung ist leider jenseits von Gut und Böse. Mit ein paar Euro mehr Materialkosten hätte man sicherlich ein schönes HD Bild zaubern können.
Die Lenkradbedienung für das Active Info Display finde ich umständlich; die einzelnen Reiter schalten leider nur sehr langsam durch und bis man findet was man sucht vergeht etwas Zeit, wobei letzteres sicherlich Gewohnheitssache ist. Störend finde ich, dass sich auf Anhieb keinerlei Möglichkeit eines Langzeitdurchschnittsverbrauchs finden lässt, immer nur der Ab Start-Verbrauch.
Das Dynaudio Soundsystem macht prinzipiell einen guten Job, doch wenn man den Subwoofer auch nur eine Stufe nach oben stellt brummt das ganze Auto, lässt man ihn auf Standard merkt man ihn kaum. Der Vorteil in diesem Extra liegt meiner Meinung nach in der noch guten und klaren Klangqualität bei hohen Lautstärken, für den Normalverbraucher bietet sich meinem Gehör jedoch kein großer Vorteil zu Standardsoundsystemen anderer Hersteller.
Assistenzsysteme
Fangen wir mit dem Schlechten an: der Totwinkelassistent. Ausgerechnet als ich genau darauf achte (-> Vorführeffekt) erkennt er zwei Autos nicht, davon einen ziemlich großen Mercedes Vito. In anderen Momenten piepst er wie Irre und steuert am Lenkrad gegen wenn man auf der Autobahn vor einem Auto wieder einscheren möchte, das man schon im Rückspiegel wieder sieht. Hier gibt es eindeutig Verbesserungsbedarf.
Der Lane Assist funktioniert sehr gut, auch in Baustellen, sofern sich nicht weiße und gelbe Linien kreuzen. Allerdings pendelt der Assistent hin und wieder zwischen den Linien bis er fast an einer Fahrbahnmarkierung angekommen ist, um dann wieder gegenzulenken. Schade finde ich dass die Aufmerksamkeitsbestätigung nach 20 Sekunden nur mit Bewegen des Lenkrads gegeben werden kann. Insgesamt finde ich funktioniert der Lane Assist bei Mercedes besser, insbesondere da er hier auch mit nur einer Fahrbahnmarkierung (ohne Mittellinie beispielsweise) funktioniert. Jedoch reche ich VW hoch an, dass diese Bestelloption bereits fast zwei Jahre früher in den Kompaktmodellen verfügbar war und auch zu einem deutlich erschwinglicheren Preis.
Ein Trauerspiel hingegen ist der Verkehrszeichenassistent, welcher sich stellenweise Schilder aus dem Hut zaubert, andere hingegen garnicht erkennt. Die Fehlerquote würde ich bei etwa 50% einschätzen, und ich wurde leider von Freunden die ebenfalls VW fahren darin bestätigt wie häufig das System daneben liegt.
Die ACC macht ihren Job sehr gut; auch wenn das Fahrzeug vor einem in eine Kurve fährt und fast hinter dieser verschwindet verzögert sie noch mit und erkennt den Vorrausfahrenden scheinbar noch. Ebenfalls sehr gut finde ich den Schutz vor Rechtsüberholmanövern; die ACC nimmt ein links fahrendes Fahrzeug wahr und beschleunigt trotz freier Spur vor einem nicht an diesem vorbei.
Auch gut funktionieren tut das Active Lighting System, wobei auch hier Mercedes Multibeam schneller auf andere Fahrzeuge reagiert ohne vorher groß Lichtkegel durch die Gegend zu schieben.
Fazit
Insgesamt ist der Golf R ein wirklich spaßiges Fahrzeug und ich kann ihn jedem der ihn als Mietwagen angeboten bekommt empfehlen, vorrausgesetzt der Geldbeutel hat genug Spielraum für Spritkosten.
Denn wer ihn fährt wie ein Golf R gefahren werden sollte, kommt schnell auf einem Verbrauch von 13-14 l/100km, mindestens Super 95 wohlgemerkt. Auch wenn der Tankdeckel E10 erlauben würde, sagt Europcar man solle eigentlich nur das empfohlene Super Plus tanken, mindestens (aber nicht offiziell) Super 95. Für mich ist der Verbrauch vergleichsweise zu anderen Fahrzeugen trotzdem zu hoch; bei gleicher Fahrstrecke und ähnlichen Geschwindigkeiten sowie Fahrweise habe ich mit einem Mercedes S560 (V8) im Januar 14l/100km verbraucht, der Golf R nahm sich 12,5l.
Zudem liegt für mich der Preis schlichtweg zu hoch für das, was einem geboten wird. Man merkt wie hart das Team bei VW an der Fahrdynamik und am Motor gearbeitet hat, daran gibt es so gut wie nichts auszusetzen und macht wirklich Spaß.
Trotzdem ist und bleibt es ein Golf; das heißt billige Bauteile und jede Menge Hartplastik im Innenraum. Für einen BLP von 62.000 Euro bekomme ich auch einen gut ausgestatteten A35 AMG, das meiner Meinung nach aktuell deutlich moderene, besser verarbeitete und stimmigere Auto.
Wer ein Golf Fan ist und das Groteske am Golf R mag, ist mit diesem sicherlich nicht schlecht beraten. Trotz aller Kritikpunkte möchte ich ihn keineswegs schlechtreden, er tut das was er soll: Gas geben, Lärm und Spaß machen. Blicke zieht man mit ihm jedenfalls genug auf sich. Wer jedoch nicht unbedingt VW-affin ist, bekommt, finde ich, bei Konkurrenzprodukten mehr geboten.
Vielen Dank an Stuttgart Flughafen für das tolle Auto und den wie bisher immer klasse Service!