Roadtrip zum Stilfser Joch mit dem SLC 200

  • Vorbereitung

    Bereits im Juni wollte ich im Rahmen eines Kurzurlaubs in Südtirol mit dem MX-5 zum Stilfser Joch, aber die Straße war damals noch nicht vollständig von den außerordentlichen Schneemassen in diesem Winter geräumt. Da dieses Ziel auf meiner Wunschliste für 2019 stand unternahm ich Ende August bei bester Wetterprognose also einen neuen Versuch. Bei der Gelegenheit auch noch einer hessischen Großstadt mit über 33° C entfliehen zu können erwies sich ebenfalls als günstig

    Anmietung

    Als Wunschfahrzeug hatte ich in der ITMR-Reservierung einen MX-5 angegeben. Angeboten wurde mir mangels Nichtverfügbarkeit des Wunschfahrzeugs ein BMW 220i Cab. Eine anfängliche Enttäuschung muss ich hier nicht verbergen, wenngleich mir bewusst war, dass der MX-5 im Sommer ein begehrtes Cabrio ist. Das alternative Upgrade-Angebot fand ich aber dennoch ganz ok, bereits mit der Motorisierung eines 218i wäre ich unter normalen Umständen zufrieden vom Hof gefahren.


    Aber dies sollte keine gewöhnliche Miete sein. Ich wünschte mir für meinen besonderen Roadtrip einen Roadster. Also erkundigte ich mich nach verfügbaren Alternativen. Und in der Tat stand für einen moderaten Auftpeis auch ein SLC 200 aus PTMR (ist ja eigentlich PTAR) zur Verfügung. Der SLC genießt ja hier im MWT-Forum einen etwas zweifelhaften Ruf als Rentner-Cabrio. Doch in der Motorisierung hatte ich ihn bereits im Sommer 2018 als robusten, zuverlässigen und auch durchaus sportlichen Begleiter kennen und schätzen gelernt. Das faltbare Metalldach dichtet in geschlossenem Zustand gut ab und so werden längere Autobahnetappen mit der Dämmung und dem Motor und dem Fahrwerk zu einem ausgesprochen angenehmen und entspannten Erlebnis. Zudem stand der schwarz lackierte Wagen auf dünnen, sportlichen Sommerreifen. Alles in allem rechtfertigte dies in meinen Augen den moderaten Aufpreis zu meiner ursprünglichen ITMR-Reservierung, die ich ja nur wegen dem MX-5-Roadster eingespielt hatte und nicht in Aussicht auf einen 2er Cabrio mit vier Sitzen.


    So fiel die Entscheidung nicht schwer und wenig später fuhr ich mit einem 10.000 km jungen schwarzen SLC 200 davon.

    Anfahrt

    Die Anreise über die A7 in Richtung Süden gestaltete sich in dem Fahrzeug aufgrund der oben genannten Eigenschaften tiefenenspannt und in wachsender Vorfreude auf die nahende Alpenpass-Erlebnistour. Gesteigert wurde sich im Anblick der Berge ab Füssen. Ich nahm die direkte Route über den Fernpass und den Reschenpass, was aufgrund der Streckenführung auch eine österreichische Vignette erforderte.


    Die erste Übernachtung erfolge in Italien in dem kleinen Dorf Stilfs (1.300 m.s.l.m = metri sul livello del mare), im Tal unweit der Straße zum Stilfser Joch, vom Vinschgau aus kommend. Ein nach meinem Eindruck kleines, verschlafenes aber nettes Dörflein, teilweise kühn am Berghang gebaut, mit engen, abgestützten Gässchen.

    Auf der Alpen-Passstraße zum Stilfser Joch

    Zu meiner Freude wurde das Frühstück bereits um 7:30 Uhr aufgetischt, sodass ich mich bereits um 8:30 Uhr ohne jegliche Hektik auf zum Joch machen konnte, lange bevor dort der Ausflugsverkehr so richtig einsetzte.


    Von Stilfs aus fährt man zunächst durch die Dörfer Gomagoi und Trafoi, bis die eigentliche Alpenpassstraße beginnt. Die ersten paar Kilometer fährt man dann mit bereits respektabler Steigung durch ein augedehntes Waldstück hinauf. Hier sind die Kehren eng, die Straßen auch. Nach meinem Eindruck enger als im späteren Segment mit den restlichen 28 Kehren oberhalb der Baumgrenze. Vorteil: Bereits früh wird dem Fahrer signalisiert, dass dies eine eher enge Bergstraße ist. Falls ihm das zu eng ist, möge er lieber früher denn später umkehren. (Spoiler-Alert: Später habe ich gelernt, dass sogar Linienbusse diese Passstraße hochfahren. In beide Richtungen. Zur gleichen Zeit. Respekt!)


    Noch innerhalb des Waldstücks - bei Kehre 31 - bietet sich die Gelegenheit für einen kurzen Foto-Stopp. Bei gutem Wetter beitet sich ein imposanter Blick auf den Ortler. Siehe: Meine aktuelle Miete - MX-5 - Juni 2019


    Ein Paar Kilometer hinter Trafoi, aber noch deutlich vor Kehre 31 gibt es übrigens einen bezüglich der Aussicht ebenso empfehlenswerten Foto-Sot: Das Gasthaus „Zum Weissen Knott“. Es hat sehr wenig Parkplätze, aber eine schöne Sonnenterasse mit toller Aussicht auf das Tal und die Schlucht. Hier bekommt man teilweise mehr von der Natur mit als oben am Stilfser Joch, wo doch recht viel Trubel herrscht.


    Doch zurück zur Strecke. Bald nach Kehre 31 endet der Wald und der Blick entfaltet sich auf die verschlungenen Kehren hinauf zum Joch. Man passiert das Historische Berghotel Franzenshöhe (2188 m.s.l.m) . Bis hier konnte ich Anfang Juni noch fahren, danach war die Straße noch verschneit. Wer Zeit hat tut gut, auch hier eine Pause einzulegen und den Blick zu genießen. Der Parkplatz bietet auch einen guten Ausgangspunkt für Wanderungen. Familien mit Kindern können sich von den zahlreichen Murmeltieren bespaßen lassen.


    Nach der Franzenshöhe kommt nun jenes ausgedehnte, serpentinenreiche Straßenstück, das so einzigartig und charakteristisch für das Stilfser Joch ist. Jede Kehre erfordert vorausschauende Umsicht, denn besonders Biker und - ich muss das so sagen, weil das so ist - stets über die Mittellinie fahrende Bürger des Landes in dem ich zu Gast war - beanspruchen stets den Großteil der engen Kehre für sich. Ist leider so. Wer denkt, hier sportlich durch die Kurven pesen zu können spielt gehörig mit dem Risiko. Hinzu kommt dass viele Fahrer bei gutem Wetter euphorisch werden und die gebotene Vorsicht vernachlässigen, beim Fahren mehr die Berge als die Straße betrachten oder einfach gar nicht mehr damit rechnen, dass von oben auch mal ein Rennradfahrer (!) lautlos mit 60 km/h durch eine Kehre entgegengeschossen kommen kann.


    So verwunderte es mich nicht, dass sich vor mir ein Unfall ereignete. Zwei in einer Kehre entgegen kommende Biker stießen mit ihren Enduros zusammen und fielen zu Boden. Ich setzte den Warnblinker, sicherte so die Unfallstelle und half den Bikern auf die Beine (einen Rettungsdienst wollten sie nicht und humpelten lieber tapfer an den Straßenrand). Zurück zu meinem Auto laufend kamen schon die nächsten Biker angeschossen und zeigten mir den Mittelfinger weil ich ihnen wohl mit meinem Fahrzeug mit eineschalteter Warnblinkanlage die Ideallinie versperrte. Kein Kommentar.




    Ansonsten war die Fahrt zum Joch und darüber hinaus bis nach Bormio und wieder Zurück einfach nur ein Genuss!

    Das Stilfser Joch

    Laut Wikipedia ist das Stilfser Joch mit 2757 m s.l.m. „der höchste Gebirgspass in Italien und nach dem Col de l'Iseran der zweithöchste asphaltierte Gebirgspass der Alpen.“ Nicht verwunderlich ist die Mischung aus Kultstätte und Jahrmarkt am Joch selbst und es werden natürlich allerlei Kitsch Devotionalien am Straßenrand verkauft. Legendär ist auch der Wurststand mit Sauerkraut, der beide Spezialitäten in einem riesigen Vinschgauer-Brötchen mit reichlich Senf kredenzt. Einen kostenlosen (!) Parkplatz findet man eigentlich immer etwa 100 m hinter dem Joch. Für Alpenstraßern-Enthusiasten wie mich empfiehlt sich der 5 minütige Spaziergang zum Tibet-Restaurant, hinter dem man die beste Aussicht auf die Passstraße (Vinschgauer Seite) hat. Ich könnte von dort aus stundenlang hinab auf das Treiben der Straße schauen, das Gewusel aus Bikern, Sportwagen, Wohnwagen und entgegen kommenden Linienbussen, die sich in Präziser Taktung genau an einer jener Stellen begegnen, wo die Straße gerade mal so breit wird, dass beide Fahrzeuge aneinander vorbei passe. Weniger bedarfte Wohnwagenfahrer müssen hingegen nicht selten innerhalb der Kehre zurücksetzen.


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    Vor dem Hotel Stilfser Joch ertappte ich dann auch den dort parkenden Alfa Romeo Stelvio, dem die Alpenstraße seinen Namen gibt (siehe Foto).






    Bormio, Umbrailpass


    Hinter dem Stilfser Joch führt die Straße hinunter nach Bormio. Fand ich auch lohnenswert. Darüber hinaus kann man aber auch über den Umbrailpass hinüber zur Schweiz fahren. Ich jedoch bevorzugte es, von Bormio aus wieder den selben Weg zurück zu nehmen und in Sulden zu übernachten. Der Gedanke war, am nächsten Tag von dort aus eine Wanderung zu unternehmen.


    Bei der Abfahrt, als ich fast schon wieder bei Gomagoi war, leuchtete die Reifendruck-Warnanzeige auf und zeigte eine Abweichung des Reifendrucks auf (vorne 300 und 315 kPa, hinten 300 und 295 kPa). Eine optische Inspektion der Reifen am Wegesrand zeigte zumindest keine sichtbaren Auffälligkeiten. So fuhr ich bis zur nächsten Tankstelle nach Prad am Stilfser Joch. Etwas verwundert war ich, dass der Reifendruck an allen vier Reifen deutlich höher war als die Angaben hinter dem Tankdeckel (230 kPa vorne, 260 kPa hinten). War ich die ganze Zeit ab Fahrzeugabholung mit überhöhtem Reifendruck unterwegs? Zwei weitere Gedanken schossen mir durch den Kopf: Lag es vielleicht daran, dass die Reifen warm waren oder galt es vielleicht, die besonderen Verhältnisse auf 1.500 m.s.l.m mit zu berücksichtigen?


    Ich entschied mich nach telefonischer Rücksprache mit meinem Bruder der vom Fach ist dafür, den Druck der Reifen geringfügig nach unten anzugleichen und die Warnmeldung zurückzusetzen, nach Sulden zu fahren und am nächsten Morgen noch einmal nach den Reifen zu schauen (Anzeige laut Cockpit vorne 290, hinten 280 kPa). Seitdem habe ich keine Warnmeldung mehr erhalten und alles scheint bestens gewesen zu sein. So ganz präzise scheinen die Sensoren aber nicht zu sein.

    Sulden

    Zum am Stilfser Joch nahe gelegenen Sulden kann ich gar nicht so viel schreiben. Ich war zum erten mal dort. Der Gastgeber meiner Unterkunft erwähnte, unsere Bundeskanzlerin sei vor zwei-drei Wochen erst dort zum Urlaub gewesen. Aha - dass sie in Südtirol Urlaub macht wusste ich, aber nicht, dass sie seit über 20 Jahren nach Sulden fährt. Es scheint jedenfalls ein schöner Ausgangsort für Wanderungen zu sein, weniger frequenziert als etwa Meran, daher ruhiger. Und mit 1.900 m.s.l.m. ist es dort spürbar kühler, die Sommersaison kürzer. Ach ja, und Reinhold Messner betreibt dort eines seiner Museen und weidet dort seine tibetischen Yaks.

    Heimfahrt über das Hahntennjoch

    Erwähnen möchte ich noch die einige Tage später gewählte Route heimwärts. Wieder über den Reschenpass, aber diesmal ab Imst nicht Richtung Fernpass - wo wieder ein Stau angekündigt war - sondern über das Hahntennjoch. Seit einigen Jahren wusste ich schon über diese Alternativroute, aber dieses Mal bin ich sie zum ersten Mal gefahren. Ab Imst gilt zunächst ein strenges Tempolimit von 30 km/h, danach 60 km/h. Schon bald öffnet sich ein wunderbares Panorama. Ich finde diese Route einfach nur wunderschön. Einige Fotos füge ich bei. An einer Stelle habe ich sogar meine Drohne steigen lassen, Foto anbei (es gibt wenige Orte, wo man dies tun kann ohne jemanden zu stören, viele Mitmenschen reagieren verständlicherweise aggressiv auf die Rotorengeräusche und so fliege ich eigentlich nur weit weg von Menschenansammlungen - allerdings ist das Fliegen in der Nähe von Siedlungen, Straßen, Flüssen, Seen, Naturschutzgebieten usw. auch nicht erlaubt, sodass ich sie nur noch sehr selten steigen lasse).





    Der SLC 200 aus PTMR

    Den hohen Langstreckenkomfort dank des gut abdichtenden Metalldaches und dem ausreichend dimensionierten Motor erwähnte ich bereits. Was man erst an kurvenreichen Bergstrecken merkt ist, wie dynamisch sich dieser Roadster bei einem solchen Streckenprofil im Sportprogramm verhält. Er macht richtig Laune! Und das sage ich nach mehreren ähnlichen Touren mit dem MX-5 in diesem Jahr. Ja, der SLC 200 ist ein sportlicher Roadster durch und durch und hat mehr Leistung als als man am Berg benötigt. Und vor allem: Er hat sich für mich nun zum zweiten Mal als sehr solides und sicheres Fahrzeug erwiesen. Einer AMG-Version mit etwas mehr Motorsound gegenber wäre ich natürlich nicht abgeneigt. Aber das gefahrene Fahrzeug fand ich in seiner Ausführung schon sehr gut.


    Nicht ganz so toll finde ich das Glasdach, welches sich nicht weiter abdecken lässt. Es ist zwar verdunkelt, lässt aber an sehr sonnigen Tagen m.E. immer noch zu viel Licht durch, sodass ich auch bei geschlossenem Dach eine Sonnekappe trug. Laut Bedienungsanleitung gibt es als weitere Ausführung dieses Daches auch eine mit so genanntem Magic Sky Control, bei dem sich die Lichtdurchlässigkeit des Glases stufenweise variieren lässt. Fände ich eher akzeptabel, wobei ich jetzt nicht weiß, wie dunkel die maximale Verdunkelung ausfällt.


    Was mich aber gehörig genervt hat war die zweifach ertönende Hupe bei jedem Schließen des Fahrzeugs. Stets habe ich dadurch genervte Blicke geerntet. Dieses unnötige Betätigen der Hupe ist übrigens auch noch gesetzlich verboten. Was hat sich der Hersteller nur dabei gedacht? Kein Wunder, dass das auch noch zum prolligen Image von Mercedes beiträgt.


    Ich hatte zunächst nicht die Lust und die Zeit mich durch das Handbuch zu arbeiten um zu ergründen, wie sich das abstellen lässt. Und nach 10 Minuten Durchsuchen der verzweigten Untermenüs im Cockpit gab ich den Versuch auf, selbst darauf zu kommen.


    Irgendwann gefunden habe ich eine Anleitung dann auf der Smartphone-Version , allerdings under dem Begriff „akustische Schließrückmeldung“. Wer in aller Welt kommt auf die Idee, nach diesem Begriff in der Anleitung zu suchen? Ironischerweise wird in der Anleitung selbst erwähnt, dass die Funktionalität in Deutschland gar nicht zulässig ist.


    Aufgrund der mir angezeigten Begrenzung auf 15 Dateianhänge füge ich keine weiteren Fotos vom Fahrzeug bei.

    Fazit

    Alles in allem war dies ein überaus lohnenswerter Kurzurlaub und ich war auch sehr zufrieden mit dem Auto. Positiv fand ich auch, dass Sixt mir zwei alternative Optionen angeboten hat, als mein Wunschfahrzeug aus ITMR nicht bereit gestellt werden konnte - ein kostenloses Upgrade in Form eines BMW 220i Cabrio und den SLC-Roadster mit vertretbaren Aufpreis. Also vielen Dank an die Sixt-Stadtstation Zeil in Frankfurt am Main! Immerhin erhielt ich in diesem Jahr in zwei von drei Fällen bei einer ITMR-Reservierung den gewünschten MX-5, einmal mit Handschaltung und einmal mit Automatik. Ich denke, die Quote ist in Ordnung.

  • Ich möchte nur meinem Neid kundtun, weil ich die Straße heute gefahren bin und die ab 2.200m wegen Lawinengefahr gesperrt ist :( Waren auch schon wintrige Temperaturen dort oben. So schnell kann's gehen.


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