Mercedes G63 AMG | Sixt MUC



  • Der Kraftklotz | Mercedes-Benz G63 AMG



    Die Älteren unter euch werden sich erinnern, dass der W463 einen ganz besonderen Platz in meinem (Auto-)Herzen erfahren hat. Für alle anderen darf ich auf diese Seite (<- klick mich) verweisen. Ich habe mich lange geziert eine neue G zu fahren, zu monumental die Erinnerungen an den Alten, zu schlecht die Ausstattung der G500, zu absurd die Preise. Manchmal fallen aber alle Sterne auf eine glückliche Konstellation, sodass ich am vergangenen Wochenende einen G63 entführen durfte - der Aufpreis zum G500 war marginal, eine Einfahrphase gibt es ja nicht mehr. Und so schritt ich frohgemut ins P26..



    Und da stand er, unschuldig blinzeln die LED-Ringe, einzig der Vergleich zu den Parkplatznachbarn macht sich die Größe bemerkbar. In sich ist das Design stimmig, das Wachstum tat den Proportionen gut.



    Ja, er ist immer noch quadratisch, praktisch, gut. Aber die Höhe ist nicht mehr so übermäßig betont wie es noch beim Vorgänger der Fall war. Also die Shotgun, ähm, die Zentralverriegelung betätigt, Türe auf, auf den Fahrersitz gewuchtet.




    Und willkommen in der Neuzeit. Trotz der gehobenen Preise hat man sich das Interieur der E-Klasse geschnappt, und in die G verpflanzt. Bisschen andere Lüftungsdüsen, und zack, feddich. Widescreen, Comand (!), Thermotronic als auch das Lenkrad mit Touchfeldern kennt man alle als Elemente aus der 213er-Baureihe.




    Was ja um Himmels willen nichts schlimmes ist. Nach meiner Erfahrung mit dem MBUX ist der Rückschritt auf das Comand eine wahre Wohltat. Dass

    das gute Burmester noch dazu verbaut ist, gibt dem Interieur diesen Extra-Touch Noblesse und rundet die Ausstattung schön ab.




    Verbaut war wärmedämmendes Glas ab B-Säule, Schiebedach (nun aus Glas!), starre Anhängevorrichtung, silberne Bremssättel, Easy-Pack, Standheizung (ohne Fernbedienung), Widescreen-Cockpit, Burmester Surround-Soundsystem, Multibeam, Diebstahlschutz, Sidebags im Fond, beheiztes AMG Performance Lenkrad mit Nappa-Leder. Dazu das Parkpaket mit RFK, Assistenzpaket und das serienmäßige Edelstahl-Paket.



    Mir persönlich fehlte nur die 360°-Kamera, und schön gewesen wäre ein peppiger Lack mit dem Night-Paket.



    Kommen wir kurz zu den Neuerungen. Es fällt anfangs nicht so auf, wenn man alleine unterwegs ist, aber spätestens mit Passagieren ist es nicht mehr zu übersehen - man hat Platz! Es gibt eine echte Mittelkonsole, Kopffreiheit ist mehr als genug vorhanden, und wenn man dem Beifahrer etwas mit ausgestrecktem Arm zeigen möchte, fettet man die Frontscheibe nicht mehr mit Fingertapsern ein. Durch das Glas-Schiebedach (im Gegensatz zum Blechausschnitt beim Vorgänger) bekommt diese schon fast leichte Weite noch Unterstützung.



    Davon kommt in Reihe 2 jetzt eher weniger an. Dadurch, dass man vorne nicht mehr ganz so nah am Lenkrad sitzt, hat man als größerer Fahrer schon noch die Möglichkeit, etwas nach vorne zu rutschen, aber wirklich luxuriös wird es nie. Obwohl es jetzt erstmals auch Fond-Entertainment gegen Aufpreis gäbe, und sogar eine eigene Klimazone. Dafür lassen sich jetzt aber die Lehnen in der Neigung verstellen, immerhin etwas.



    Der Kofferraum bleibt seinem Motto "quadratisch" treu, zu "praktisch, gut" hat es nicht gereicht. Zwar sind jetzt erstmals so moderner Schnickschnack wie eine Laderaumabdeckung möglich, dafür fehlt ein doppelter Boden, und bei umgeklappten Sitzen bleibt eine nicht unerhebliche Kante zurück.



    Dazu gesellt sich die übliche, aber dennoch unpraktische an der Seite angeschlagene Türe, die sich im Vergleich zum Vorgänger deutlich leichter öffnen und schließen lässt. Dennoch braucht sie viel Platz nach hinten, was im üblichen Habitat des Fahrzeugs, den Städten dieses Landes, schon nervig werden kann.



    Beim Stichwort "nervig" fällt mir direkt meine Hassliebe zu den Sidepipes ein. Einmal sind sie schon nahezu ikonisch beim AMG (see what I did there?!), andererseits erklären sie relativ schnell, wieso es sie nicht öfter gibt. Da wäre einmal der Klang. Grummelnd, grollend, eine ganz eigene Klangkulisse. Durch den eher kurzen Abgasstrang gibt es aber kein Schaltknallen und kein richtiges Ploppen. Damit kann ich leben. Kritisch wird's aber, wenn man mit Passagieren in Reihe 2 aber auf der Zufahrt zur BAB durchbeschleunigt, und eben diesen Passagieren dann die Ohren klingeln und sich anschreien. Generell haben's Fond-Passagiere nicht leicht. Wenig Platzt, kleine Türen, und beim Einsteigen bollern die Sidepipes an die Beine.



    Gerade beim Aussteigen nach langen Autobahnetappen hörte man ein "Autschn". Und wo wir gerade bei nervig sind, noch der zweite Punkt auf der Liste der fragwürdigen Entscheidungen aus Stuttgart - die RFK. Beim alten Modell noch ein nachträglich hingepfriemelte Lösung, die ausschließlich den Ersatzreifen zeigte, hat man hier die Chance vertan, es besser zu machen.



    Zwar liegt sie geschützt unter einer Klappe, sodass sie bei Regen, Matsch und Schnee Bilder liefern kann, aber wenn das Bild halt nichts nutzt, kann man sich's auch direkt sparen. Auch wenn ich J.S. das letzte Mal vergessen habe, fiel es mir im Return wie Schuppen aus den Haaren..



    Weil es die Schrift überdeckt, habe ich es rot markiert - das ist das Reserverad. Man kann in der Perspektive null einschätzen wie weit man nun noch nach hinten hat, weil man nicht weiß wie weit der Kasten rausragt. So stellt man sich beim Einparken an wie ein Anfänger, weil man sehr viel Platz lässt, denn das PDC schlägt sehr früh an. Dafür tun sich Besitzer mit Hängern leichter, anscheinend musste man einen Tod sterben.



    Kommen wir zur zweiten großen Neuerung (ja, ihr hattet den roten Faden über den absurd großen Exkurs schon vergessen, oder?!) - die G-Klasse fährt sich wie ein Auto. Gut, zugegeben, wie ein absurd großes, absurd schweres Automobil. Aber es fährt. Geradeaus. Und sogar Kurven. Man glaubt es kaum. War beides im Vorgänger ein andauernder Kampf, in dem sogar das Fahrwerk mal Freund, mal Feind war, ist den Ingenieuren bei gleichbleibenden Features (Sperren!) es gelungen, der Schrankwand Manieren beizubringen.



    Das Fahrwerk federt Unebenheiten weg anstatt die komplette Fahrgastzelle in Schwingungen zu bringen und ebendieser Knarzen zu entlocken. Querfugen werden nicht mehr nachgelaufen wie einer läufigen Hündin, und Geschwindigkeiten über 130 km/h entwickeln sich nicht zu einem Kampf gegen die Elemente & Physik, sondern entlocken der Aerodynamik nur die erwarteten Windgeräusche en masse und dem Fahrer ein leicht ungläubiges Lächeln, was hier gerade abgeht.



    Das ist einerseits ja das erklärte Ziel gewesen bei der Runderneuerung, und ich möchte mir nicht vorstellen mit dem Vorgänger die abgeriegelten 226 km/h Tacho gefahren zu sein. So viel kann ich gar nicht Trinken, wie ich geschwitzt hätte. Über den von Max Weber zusammengebauten 4,0l V8 ist denke ich genug geschrieben worden, auch hier ist der Motor über jeden Zweifel erhaben. Absurde Kraft in allen Lagen, eine ungewohnte Klangkulisse (siehe oben) und trinkfest wie eh und je. Selbst die erste Einfahrphase in comfort wurde mit einem Verbrauch nahe an den 20l / 100km quittiert.



    Zum Abschluss noch ein, zwei persönliche Dinge. Das traditionelle Suchbild für das durchgängige Lenkgestänge darf natürlich nicht fehlen, so wie es leider ein Bild des Unterbodens tut. Wo sich der Motor verschlossen gibt (im Vergleich zu Brüdern), versteckt sich der Technik-P*rn unter dem Boden - die Achsen, die Technik der verstellbaren Dämpfer, ein Träumchen.




    Ein Träumchen auch die Entscheidung, den Einfüllstutzen für das Wischwasser in die Ansaugung zu legen. Moderene Motorentechnik kann das bestimmt nichts anhaben, dennoch eine spannende, bis dato von mir nicht gesehene Entscheidung.



    Ebenso fragwürdig ist, es anderen Herstellern nachzumachen überall Blenden zu verbauen. Ich monierte es schon beim X253, aber auch beim G haben sie es sich nicht nehmen lassen. Neben dem ebenso knarzenden Lenkrad ein weitere Unart, die Mercedes da übernommen hat.



    Wenigstens das Multibeam weiß im G zu überzeugen, nachdem es in den letzten Mercedes-Fahrzeugen eine Enttäuschung darstellte.



    Und somit kommen wir zum Fazit: ist der neue G eine Enttäuschung, eine wichtige Evolution oder ein Meilenstein?



    Rein objektiv ist der neue G ein Meilenstein. Der Raum, die Technik, das Fahren. Kein Vergleich zum Vorgänger, viele würden sagen, endlich auf der Höhe der Zeit.



    Subjektiv ist es eine gelungene Evolution. Klar, man wusste dass neue Technik überfällig war, weil sonst dem G das gleiche Schicksal wie dem Discovery drohen würde. Und im Gegensatz zu dem Konkurrent aus Britannien ist das neue Fahrzeug eine gelungene Hommage geworden. Von den aufgesetzten Blinkern, in die dem Marketing nach absurd viel Entwicklung gesteckt wurde, über die nur leicht abgerundeten Ecken bis hin zu den gleichen schweren Türen, pumpgunartiger Zentralverriegelung und außenliegenden Scharnieren wird hier sehr viel Erbpflege für die treue Fangemeinde betrieben. Und das ist das Potential, dass diese Generation einen ganz eigenen Charme entwickeln wird, und sich das Fahrzeug auch in mein Herzen gefahren ist.



    Welchem sonst deutlich über 150k€ teuren Auto würde man sonst offenliegende Schrauben in der Pedalbefestigung verzeihen?!



      


    Übrigens, die Breite des Fahrzeugs von knapp zwei Metern (ohne Spiegel) merkt man im Alltag sehr schnell nicht mehr. Erst in der Waschstraße wird es einem auf einmal sehr schnell sehr deutlich, was für ein Gerät man da bewegt. Zumal wenn der Vito vorher ohne zweimaliges Rangieren in die Waschstraße rein und wieder raus ballert.




    Bei Fragen gilt wie immer, gerne fragen. Dank geht abschließend wie üblich an das überragende Team von :203: @ MUC, irgendwie habe ich mir das neue Netzwerk aufzubauen schwieriger vorgestellt. Über die Sommerferien werden es deutlich weniger Mieten (absurder Auslastung sei Dank), damit ich mir nicht noch mehr Optionen für den 30sten Geburtstag schon vorher hole. :107:

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