Bevor die Eindrücke weg sind, muss ich das hier loswerden. Das glaubt mir ohnehin niemand. Kennt ihr diese Zitate oder Sprüche, dass es besser nicht wird, dass man am Ende der Entwicklung angekommen, der Peak erreicht ist? Jedes Mal hat die Geschichte gezeigt, dass noch einer drauf gesetzt werden kann. Hier frage ich mich das erste Mal: Wie? Zur Hölle?
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Mächtiger als der 992.2: Wenn eine 2,4-Tonnen-Elektroschüssel der bessere Sportwagen ist
Manchmal gibt es kleine Lichtblicke im Job, die ich mitmachen darf und die mich aus dem öden Homeoffice in eine Bubble werfen, die ich noch aus einem früheren Leben kenne: Fahrveranstaltungen. So eine gab es dieses Jahr nur ein Mal. Und zwar die Testtage anlässlich des Goldenen Lenkrads. Organisiert von Bild und AutoBild und unterstützt von Partnern, u.a. Michelin und mobile.de. Hier karren etliche Autohersteller ihre Neuvorstellungen an, sodass sich eine erlauchte Jury aus (ehemaligen) Rennfahrern, Promis und Influencern oder von jedem etwas die Autos anhand einer Checklist einordnen kann.
Porsche ist hier traditionell stark vertreten. Anders als bei anderen Auto-Awards gibt es nämlich unterschiedliche Kategorien, z.B. auch die des besten Sportwagens. 2024 standen also bereit: 992.2 GTS, Macan Turbo und Taycan Turbo GT. 992.2 und Taycan konnte ich fahren. Und jetzt sagt er Jehova: Die Elektroschüssel ist (für mich) das bessere Auto. Sorry 911. Warum? Ich probiere hier mal eine verschriftliche Einordnung. Und egal, wie gut sie wird. Sie wird lange nicht dem gerecht, was du am Lenkrad fühlst.
Porsche Taycan Turbo GT: Da bist du mit dem Denken viel zu spät.
Ich reiste schon am Sonntag vor dem eigentlichen Jurytag an. Schon mal ein bisschen einrichten, die ersten Stücke produzieren usw. Das war der Plan. Ein bisschen Improvisieren gehört ja immer dazu. So kam es dann auch. Ihr kennt vielleicht Mayk Wienkötter. Das ist der Pressesprecher des Porsche Taycan, selbst irgendwie Markenbotschafter und Influencer aber vor allem ein guter Typ. Ich sehe die beiden Turbo GT an und in der Box stehen. Den hier auf den Bildern und den in purple sky metallic, den ihr vielleicht auch von den Pressebildern oder von der Rekordfahrt in Laguna Seca kennt: S GO 947. Ich frage Mayk, ob ich mal darf. Er so: "Mach, aber lass ganz. Der hat Semislicks drauf." Ich so: "Ja wird bei mir eh nur eine Kaffeefahrt." Tschau Kakao. Nix da Kaffee. Das ist Koks.
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Ihr seht ja das Wetter. Das waren die Ausläufer des Tiefs, das jetzt noch für Hochwasser östlich der Elbe sorgt. Es regnet also massiv. Daher bleiben auch alle Fahrhilfen an. Ich schraubstocke mich in den Schalensitz, verstaue die Kamera zwischen meinen Knien, stelle mir Spiegel und Lenkrad ein und rolle los. Der Taycan ist hier schon mal kein Elektroauto. Er kann kein One-Pedal-Drive. Vielleicht kann man das einstellen. Im Standardmodus kriecht er aber los, sobald du wie bei einem Automatikauto von der Bremse gehst. Kurz noch auf Sport plus gestellt und schon mal reingefühlt: Lenkrad links rechts links, zwei drei Gasstöße. Ach du Sch****. Hier ist aber gewaltig jemand zu Hause. Ich hatte da noch keine Ahnung.
Ich weiß, dass außer mir gerade niemand fährt. Raus aus der Box. Am Lausitzring biegst du dafür links ab um dann wieder rechts in die erste Schikane entlassen zu werden. Zu dieser Stelle kommen wir gleich noch. Kurzer Fahrpedalstoß, ich bin an der nächsten Schikane, die auf dem Trioval mündet. Hier ist viel Platz, den lasse ich auch bis zur Mauer rechts von mir. Bumms, stehen da 210 km/h auf dem Tacho. Im Dauerregen mit stehendem Wasser und Semislicks unter mir. Ja moin. Aber hier ist schon wieder viel Platz und ich dachte schon, ich muss weiter geradeaus statt links runter in die sich zuziehende Links. Und jetzt bekomme ich eine zarte Ahnung von dem, was mich wenig später in der Runde sprachlos zurücklässt: Der Taycan Turbo GT bremst und lenkt ein. Genau dahin, wo ich instinktiv hinwollte. Kein Zucken, kein Auskeilen, kein Schieben. Als hätte sie eine Transrapidstrecke in den Sand unterm welligen Lausitzring-Asphalt versteckt, zielt der Zweitonnentrumm einfach so in Richtung Curb und lässt sich auch von dem nicht aus der Ruhe bringen. Von Ruhepuls ist bei mir schon lange keine Rede mehr.
Deshalb wird es in dem Moment von außen aussehen, als trage ich das Auto um die Strecke. Aber ich sollte den Koffer ja heile lassen. In der langgezogenen Rechts ist also nichts weiter los. Den Taycan GT lasse ich mit vielleicht einem Achtel Fahrpedalweg die Gegengerade aufzoomen, bremse am Ende fast schon Innenstadttauglich viel zu früh ab. Hier folgen eine Linkskurve und eine Rechts-Links-Schikane, in der jeweils Bäche die Strecke kreuzen, die auch am nächsten Tag trotz Sonne nicht mehr versiegen sollten. Wir befinden uns jetzt wieder auf dem Trioval mit starkem Banking und schockierend schlechtem Fahrbahnbelag (für eine Rennstrecke mit FIA-Tauglichkeit). Ich denke mir: Komm, einmal Pinsel bis Anschlag. Also Streicheln und Geschwindigkeit halten bis das Lenkrad 100%ig gerade steht und dann einmal Feuer. Keine Pause zwischen Denken, dem Rechten Fuß und der Explosion des Tachos. Es reißt und zuckt, Traktionskontrolle bei 180. Nix mit Anschlag. Das waren jetzt geschätzt 80% Vollgas. S GO 947 und ich pfeffern Start-Ziel hinunter und ziehen eine Gischtwolke hinter uns her, durch die ich im Rückspiegel gar nichts mehr sehe.
Rechts an der Mauer zur Haupttribüne kommt die 150-Markierung in Sicht. Ich bleibe noch drauf. Bei Tacho 220 - es wäre zu dem Zeitpunkt deutlich mehr drin - wechselt der Fuß auf das Bremspedal. Und oh Boy was passiert hier bitte? Nichts ist von der Rekuperation zu spüren. Es fühlt sich direkt richtig an. Richtig, richtig stark. Die Links am Ende kommt etwas zu schnell näher. Ich moduliere nach, lenke ohne zu viel Winkel ein, wie beim Kartfahren lasse ich die Fuhre machen. Und das Auto tanzt genau da hin, wo ich ihn hin haben will. Links auf den Curb, Lenkrad gerade und wieder sanft ans Gas. Rechts in die Schikane rein, wieder umsetzen und das gleiche Spiel gleich nochmal. Das war viel zu leichtfüßig, das kann echt nicht wahr sein. Ich bin völlig falsch gefahren, nämlich Ideal- statt Regenlinie. Und trotzdem marschiert er mit dir ohne zu zucken oder zu zögern auf die Fahrlinie, die dir vorschwebt. Phänomenal, brutal und gleichwohl auch ein bisschen beängstigend. Weil ich mir denke: Was soll daran noch besser werden? Am Tag danach konnte ich bei abtrocknender Strecke noch andere Autos bewegen. Unter anderem Lamborghini Revuelto, BMW M3 oder auch Porsche 992.2 GTS. Sorry das so arg zu schreiben. Aber: Langweilig. Gepolt durch den Taycan GT war mein Denken für diese Autos dann zu schnell. Für den Turbo GT nicht schnell genug.
PS: Die Taycan-Miete über Weihnachten beim PZ Osnabrück habe ich anschließend storniert.
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