Ich bin gerne dafür, einem Auto bzw. einer Marke eine zweite Chance zu geben. Nachdem ich für ca. ein halbes Jahr bereits ein Tesla Model 3 im Abo fuhr und davon nicht wirklich begeistert war, wollte ich doch mal gerne das neue Model S Plaid probe fahren. Es ergab sich ein spontaner Ausflug nach Berlin und ich dachte mir "Hey, kannste doch mal nach Grünheide fahren".
Vorbereitung
Was muss man tun, um im Self-Service einen Tesla probe zu fahren? Im Grunde reicht die Tesla App auf dem Smartphone und ein Browser-Zugang.
Auf der Tesla Webseite wählt man das gewünscht Modell aus und in der Standort-Auswahl sucht man einfach nach der Gigafactory in Grünheide. Meine erste Enttäuschung: Das Model S lässt sich dort im Self Service nicht probefahren. Schade.
(klick mich)
Aber Model 3 Highland und Model X waren möglich. Da mich der unterschied von "meinem" Model 3 zum Highland interessierte und das Model X ja auch nur ein höher gelegtes Model S ist, passte das. Ich buchte also entsprechend die Probefahrten auf der Webseite und nur wenig später tauchten beide Probefahrten bei mir in der Tesla App auf. Hier muss man dann nur noch den AGB zustimmen sowie Vorder- und Rückseite des Führerscheins hochladen und das wars.
(ich bin hochkant)
Zwischen Buchung und Termin lagen bei mir ca. 2 Wochen, während dieser Zeit hatte ich zwei Anrufe von Tesla-Mitarbeitern. Im ersten ging es darum, dass ich einen Fehler beim hochladen des Fürhrerscheins gemacht habe (steht halt überall der gleiche Text, kann ja keiner ahnen) und es gab die Info, dass man das Model 3 Highland aus Grünheide abgezogen hat und ob auch das Model Y in Ordnung wäre.
Auf meine Nachfrage, ob es ein Performance wäre kam ein "Ja" und ich stimmte zu. Es folgte noch ein Link per SMS um den Führerschein neu hochzuladen und das Model Y war auch direkt in der App zu sehen.
Kurz vor den Probefahrten erreichte mich dann der zweite Anruf mit der Frage, ob ich fragen hätte und ob soweit alles klar ist. Da ich keine Fragen hatte, war das Telefonat schnell beendet.
Vor Ort
Ich war dann am Probefahrt-Tag noch ein wenig früher vor Ort (wie man halt so ist). In der App gab es eine Basic-Anweisung wo das Model Y zu finden ist. An sich eine ganz coole Sache, aber das Auto stand nicht am angegeben Ort. Es gibt die Funktion, dass man das Fahrzeug orten kann, das wird aber erst pünktlich zum Probefahrtbeginn freigeschaltet. Tolle Wurst, da verliert man direkt die ersten Minuten. Selbiges war dann auch beim Model X der Fall.
Laut Angabe sollten beide Fahrzeuge bei Punkt 1 stehen, letztlich standen sie ca. bei Punkt 2.
Wenn die Probefahrt beginnt, dann wird das jeweilige Fahrzeug zur Tesla App hinzugefügt und man kann es, wie sein eigenes Fahrzeug, steuern. Als Schlüssel dient dann ebenfalls das eigene Smartphone.
Tesla Model Y Performance
Die erste Stunde verbrachte ich mit einem weißen () Model Y Performance. Das leistet 514PS im Peak und ist ein Mittelklasse-SUV. Hier kenne ich die meisten Details noch vom Model 3, das ja damals noch genau so aufgebaut war.
Optisch ist das Model Y mit seiner Ü-Ei-Form leider echt weit hinten auf meiner "Design-Highlight-Skala", aber darüber will ich nicht zu viel abranten.
Bereits auf den ersten Metern fehlte mir ein Tacho direkt vor der Nase oder ein Head-Up Display. Man mag es sicherlich unter "Gewöhnungssache" (das wird noch ein paar mal vorkommen) abstempeln können, aber nein. Minimalistisch sein ist ok, ich mag dennoch nicht alle paar Sekunden für die Geschwindigkeit meinen Blick von der Straße abwenden. Bei einem normalen Tacho geht das imho im peripheren Blickfeld, oder einfach schneller weil man einfach nach "unten" guckt und nicht zur Seite.
Ansonsten ist die Software natürlich erste Sahne. Das war und ist immer noch meine Meinung dazu, auch wenn einfach viel zu viel darüber gesteuert wird. Spiegeleinstellung, Lenkradeinstellung, alles muss ich erst mal im Menü suchen, und vor allem das Lenkrad würde ich gerne VOR dem ersten Einsteigen "aus dem Weg räumen" um einfach nicht wie ein Klappstuhl ins Auto einsteigen zu müssen. Ich hatte meine persönliche Sitzposition von Model 3 schon noch als echt schlecht in Erinnerung, aber im Model Y jetzt fand ich es noch katastrophaler. Für mein Gefühl saß ich viel zu hoch.
Funky finde ich, dass nach 5 Fehlschlägen einem der Lenkassistent gesperrt wird. Bevormunden at its best.
So adhoc fehlte mir irgendwie auch die Möglichkeit, den Bildschirm in meine Richtung zu neigen (dazu auch noch mal später mehr), das ist etwas was mir im alten Superb ja schon missfallen hatte. Es passt vom Blickwinkel während der Fahrt einfach nicht.
Die Aktivierung des ACC ist genau so katatstrophal, ich habe es kein mal auf anhieb hinbekommen und immer bimmelte der Wagen fröhlich vor sich hin. Neuerdings wird auch bei jeder Tempolimit-Änderung gebimmelt, wobei ich denke (eher hoffe), dass man das abschalten kann.
Frunk und Kofferraum sind finde ich ausreichend groß, hab nur irgendwie nicht herausgefunden, ob man es auch ohne Gewalt schafft die Kofferraumabdeckung herauszunehmen. Ich wollte auch nichts kaputt machen.
514PS ziehen natürlich gut und dank Sportfahrwerk und großen Rädern liegt das Model Y auch straff auf der Straße, für mich wäre es auf Dauer aber wohl nichts.
Zurück an der Giga-Factory kam dann auch Tesla Vision zum Einsatz und ich weiß nicht.... An sich ist die Genauigkeit für ein rein kamerabasiertes System gut, aber ich finde für ein System, mit dem ich irgendwo passgenau parken will einfach nicht gut genug. Mit dem Model Y Juniper kommt ja nun auch eine richtige Frontkamera, vielleicht verbessert das das System ja noch mal.
Im großen und ganzen hat mir das Model Y erneut aufgezeigt, was ich bereits am Model 3 zu kritisieren hatte. Insofern wäre ein Vergleich mit dem Model 3 Highland echt interessant, mal schauen ob ich mir das bei Zeiten mal gebe.
Tesla Model X Plaid
Hier war ich richtig gespannt drauf. Ich habe ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass hier ein Plaid zur Verfügung steht, was meine Freude darauf noch mal steigerte. Model S und Model X "lösen" zumindest ein paar der Probleme, die ich mit Model 3 und Y habe.
Designtechnisch finde ich auch hier die Limousine weitaus schicker, das aktuelle Model S sieht für einen Tesla imho sogar richtig S3XY aus.
Und der Farbengott hat mich beim X auch nicht im Stich gelassen, denn es kam in blau daher. #loveforbluecars
Innen war er schwarz und als 6-Sitzer konfiguriert. Und Gott sei dank nicht mit dem Yoke-Lenkrad, sondern mit dem runden.
Bevor ich irgendwas anderes sage: Heilige Maria, 1020PS fühlen sich beim durchziehen echt geil an! Auch wenns nach dem 3. mal trotzdem langweilig war und ich es dabei belassen habe.
Sitzposition ist hier schon mal deutlich besser, aber ich fands irgendwie auch nicht optimal, vielleicht liegt es auch an mir. Die Sitze per se fand ich auch deutlich bequemer.
Zur Software muss ich hier denke ich nichts weiter sagen, die ist ebenso gut wie beim Y.
ABER es gibt hier einen Tacho, auch wenn der wahrlich nicht viel anzeigt oder konfigurierbar ist.
Außerdem lässt sich das Zentraldisplay zum Fahrer oder Beifahrer neigen, wenn man es möchte.
Das Model X kommt ja auch ohne Lenkstockhebel, ich weiß #Gewohnheit, dennoch einfach nein. Ich kann und werde nie verstehen, wieso man etwas, was sich über ein Jahrhundert so etabliert hat wie ein Blinkerhebel plötzlich wegrationaliserien muss.
Elektrische Türen hingegen sind eine der schwachsinnigsten Sachen, die sich die Automobilindustrie hat einfallen lassen. Lässt sich leider beim X nicht abstellen, oder ich habe es nicht gefunden. Funky hingegen sind die Falcon-Wing Türen für die hinteren Passagiere. Die brauchen nur leider auch echt lange, bis sie dann mal geöffnet sind und ich kann mir vorstellen, dass man bei schlechtem Wetter auch mindestens 2x einen nassen Kopf bekommt. Die dritte Sitzreihe habe ich mal nicht ausprobiert, das hätte wohl zu lange gedauert mich da rein- und rauszuschälen.
Der Bildschirm für die zweite Reihe ist eine sinnvolle Sache, vor allem um die mitreisenden zu bespaßen.
Der Kofferraum ist mit aufgeklappter, dritter Reihe ok, der Frunk einfach riesig im Vergleich zum Model Y.
"Putzig" fand ich mehrfach aufklappbare Sonnenblende, ich empfehle jedoch nicht während der Fahrt von Sonneneinstrahlung geblendet zu werden, weil das montieren der Sonnenblende eine Gefahr für alle beteiligten darstellen könnte.
Fazit
Ich bin ehrlich: Die Chance, dass ich mir einen Tesla zulege hat dieser Tag nicht wirklich erhöht. Dennoch finde ich das Angebot, in einer Art Self-Service diese Probefahrten durchzuführen eine spannende Sache und ich finde es schade, dass gerade die deutschen Hersteller so altertümlich mit Probefahrten umgehen.
Grundsätzlich ist meine Meinung aktuell: WENN Tesla, dann Model S. Die Verarbeitung war bei beiden Fahrzeugen übrigens gut, beim Model X durch dinge die den Alcatara-Dachhimmel noch ein wenig besser, das würde ich beim aufgerufenem Preis aber auch erwarten.
Jedoch scheinen auch die Mitarbeiter von Tesla eine Art Training (oder Gehirnwäsche?) hinter sich gebracht zu haben. Im Nachgang erreichte mich noch eine Nachricht von Tesla, wie es mir denn gefallen hat und ob aktuell die Anschaffung eines neuen Fahrzeuges geplant ist. Da ich mit meinem Feedback gerne ehrlich umgehe, erwähnte ich meine Kritik zur Auffindung der Fahrzeuge sowie dem Entfall von PDC und Lenkstockhebeln.
Schlussatz war, dass ich noch bis Mitte 2026 Zeit habe und sich bis dahin meine Meinung ja vielleicht noch ändern wird. Die Antwort fand ich so faszinierend, dass ich die hier mal zitiere:
ZitatVielen Dank für das offene Feedback. Ja, bis dahin haben wir noch ein paar Asse im Ärmel und wenn das Thema autonomes Fahren mal gelöst ist, gehören Dinge wie Lenkstockhebel und Parksensoren in die Kategorie "Relikte der Vergangenheit" über die man sich gar keine Gedanken mehr machen wird.
Also... Ähm. Nein.
Cheers.