Bei der Rückgabe des BMW M128 guckte ich zu lange auf einen Mini JCW, der sich im Februar Frostpickel holte und glücklicherweise hielt mich das auch davon ab, sofort etwas sehr Dummes zu tun.
2 Monate später: Trotz einiger Widrigkeiten, alles wird teurer und alles geht kaputt, reifte der Entschluss, BeMine s Hinweis ernst zu nehmen und nicht nur, wie ursprünglich geplant, für 2 Wochen den Mini zu holen, sondern das ganze auf 2 Monate auszudehnen.
Bei Abholung hätte der Kleine ungefähr 1300 km in sehr schnellem Galopp zurückgelegt, wie die Verbrauchsanzeige verriet. Aber einen John Cooper Works holt man ja auch nicht für die Eisdiele. Oder? Finden wir es heraus!
Emotion
Bei der Abholung tat BeMine das, was man halt als Salesperson so tut, wenn man ein Auto vermieten möchte. Er sprach die Enttäuschung an, die er erlebt hat, als er den aktuellen Mini fuhr. Ja genau, exakt den, den ich nun auch mitnehmen würde.
Und ja: Früher war mehr Lametta, das muss man sagen. Der JCW klingt sehr beliebig und erst in Sport bringt das Wastegate bei der Vorbeifahrt an Felswänden oder Mauern etwas Leben in die Bude. Im Schnitt alle 2000km gab es den Hauch einer Fehlzündung.
Ja: Dazu ist der Wagen obenherum für einen BMW Motor überraschend "zu" und quält sich fast, die letzten 1000 Umdrehungen klingen entsprechend so spannend wie in meinem 1.4 TFSI und bringen auch genau so viel, was die Fahrleistungen angeht.
Und trotzdem gucke ich ihn verliebt an. Er ist die, die man früher nicht haben konnte und nun durch Zufall doch bekommen hat. Er ist älter geworden, hier und da träger, schlaffer, aber da ist noch dieses Knistern...
Fahren
Denn, make no mistake: Auch wenn das Cabrio nicht leicht ist, für einen Mini: Der Wagen wieselt mit seinem Radstand und den kurzen Überhängen um Kurven, als gäbe es kein Morgen, das Fahrwerk ist kompromisslos und auch wenn er gefühlt erstaunlich wenig stärker ist als der S, es ist kein langsamer Wagen. Er hat keine Chance, einem TT RS das Wasser zu reichen, aber er schlägt sich beim Versuch sehr tapfer.
Die Bremsen sind gut und haben auch in den Bergen immer leichtes Spiel mit dem Wagen in Verbindung mit den Pirelli PZero. Trotz der heutzutage fast lächerlich anmutenden Dimension von 205 in 17" stellen sie sehr gut sicher, dass man nur dahin fährt, wo man hin will. Ich knicke in jeder Kurve früher ein als der Wagen, auch nach 10.000km. Sein Limit ist hoch und wenn man es erreicht, sagt er höflich Bescheid.
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Fleisch an den Felgen
Er hat nicht versucht, mich umzubringen. Aber er hat in Italien während und nach den schweren Regenfällen zu mir gehalten, als ich über Straßen gefahren bin, die ich ihm und mir lieber nicht zugemutet hätte und von denen ich an Tag 1 dachte, sie würden uns umbringen wollen. Er ist "Wir schaffen das!", wenn es das mit Gewissheit und als Auto gibt.
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Und da war das dicke Gummi sicher ebenso eine Hilfe wie die direkte Lenkung, die Standfestigkeit der Bremse und - wenn es gar nicht anders ging - das harte, aber nicht zu harte Fahrwerk, das mit den wirklich fiesen italienischen Schlaglöchern, die immer dort sind, wo man nicht vor ihnen warnt, besser klar kam als ich erwartet hätte.
Und auch wenn der Antrieb mich emotional etwas enttäuscht hat: im Bereich von 2000-5000 Umdrehungen wirkt er seeehr lebendig. Glas halb voll. Mindestens.
Und dann fehlt ihm etwas, was so viele andere Autos haben: ein Dach.
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Und Fahrzeugbreite - das ist auch viel Wert
Alltag
Der Mini basiert auf seeehr alter BMW Software. Sie kennt kein Android Auto, Spotify, Touchscreens und sie kennt auch keine Verbrauchsauswertung, nur einen Tripzähler und einen irgendwas Zähler, der aber keine Strecke kennt. Das Instrumentencluster sieht kurz nach seiner Einführung auch nicht mehr frisch aus, weil es nichts kann, was digitale Cluster eigentlich auszeichnet, aber:
Alles macht seinen Job und zwar so, wie man es erwartet - was das Infotainment kann, macht es gut und oft auch mit Liebe zum Detail.
Die Tatsache, dass viele Kreuze gesetzt wurden, hilft sicher, das HK Soundsystem zum Beispiel, das Ambient Light in der Flugzeug-Schalterleiste.
Die Sitzheizung hat mit der Klimaanlage und dem Windschott genug Pepp, dass man ab 10°C problemlos offen fahren kann.
Manches bekommt in der einfachen Linie nie ein Kreuz, Leder gibt es nicht, nur integrierte Sitze mit Mikrofaser. Selbst diese Standardsitze machen ihren Job für mich (2,02m und bis zu 120kg) verdammt gut - nicht ein mal hätte ich sie verlassen wollen.
Die Verarbeitung ist dafür eher "meh", die Fahrertür braucht viel Zuspruch, um zu zu gehen und die Verkleidung knistert regelmäßig vor sich hin, der Kennzeichenhalter-Halter, eine Kunststoff-Wanne zwischen Kühlergrill und Kennzeichenhalter, hing auf halb 8 und musste ein paar Mal überzeugt werden, die Einparkhilfe nicht zu verdecken. Und auch der Kofferraum war oft Schrödingers geschlossen - er war zu und lt Elektronik doch auf.
Und dieser Taschenraum sollte auch nur von mittelgroßen Taschen bezwungen werden, mehr findet seinen Weg nicht hinein. Als Kofferraum taugt er bestenfalls für einen Aktenkoffer. Was man ganz vergessen sollte ist die Vorstellung, die Rückbank sei etwas anderes als der Bereich unter dem Windschott, in den man seinen Pullover schiebt. Da will man nicht sitzen, bestenfalls unter 1,60 und auch dann lieber kurz...
Aber dafür holt man sich wohl auch keinen Mini und schon gar nicht als Cabrio. Und man holt sich auch keinen ACC im Mini, das Geld kann man in etwa anderes stecken. Kamerabasiert funktioniert er bis 140, wobei das heißt: manchmal, ein bisschen. Schlimmer als Tesla. Der Spurhalte-Assistent stört dafür gar nicht, nicht einmal wenn man die Fahrspur wechselt. Es ist ein Witz, anzugeben, das Auto hätte sowas, wenn es so funktioniert...
Und beim Thema Alltag sollte man nicht vergessen: alle 2-3 Tage musste ich ihn reinigen und dank Stoffverdeck mit Plastikscheibe hieß das:
Hochdruckreiniger für den Wagen und niedriger Druck und Bürste am Verdeck, sonst hat man wohl schnell stumpfe Linien im Verdeck und die Scheibe vergnaddelt, besonders in einem staubigen Italien nach der Flut. Der Alltagsnutzen sinkt bodenlos. Aber was macht das schon?!
Diese Kuh mochte ihn trotzdem, genau wie ich.
Weil nichts davon etwas daran ändert, dass man mit ihm da verdammt gut lang fahren kann. Schnell, mit Wind in den Haaren und dem Wissen, dass er einfach alles kann, wenn es ums Fahren geht.
Fazit: Ja, der Wagen hat noch weniger Alltagswert als ein TT Roadster und das Thema Antrieb hat unter OPF und Euro 6 sehr gelitten. Aber er ist immer noch ein unverkennbarer Mini und darum muss man ihn lieben! Immerhin klappt das seit dem OPF auch mit Nachbarn...