Zahlen und Fakten
Land Rover Defender (L316)
2.2 Liter, 16V, 4-Zylinder, 90 kw, 122 PS, 360 Nm Drehmoment
Permanenter Allradantrieb, Mittendifferenzialsperre
6-Gang-Schaltgetriebe mit Geländeuntersetzung
Abgasnorm EU 5, Vmax: 145 km/h
Karosserie aus Aluminium; Kastenprofil-Leiterrahmen (dadurch Anhängelast bis 3,5t)
Anmietung / Übergabe
Es war eine spontane Fahrt zum Mietwagenparkhaus am TXL. Ich sah den Wagen bereits in der ersten Reihe stehen, als ich vorne an der Schranke war: Ein schwarzer, dreitüriger Land Rover Defender. Das arme Ding, dachte ich, ist hier im Parkhaus eingesperrt und träumt von Schotter, Matsch und Abenteuer. Da muss ich was machen!
Wie erwartet, war der Landy vermietbereit und stand sich schon seit rund 3 Wochen dort die Reifen platt. Der vereinbarte Preis für's Wochenende ging für mich in Ordnung und Minuten später hatte ich Schlüssel und Mietvertrag in der Hand. Mit dem netten Angestellten hab ich noch etwas über die Eingruppierungs-"Logik" gefachsimpelt: Was hat ein Geländewagen für die Afrikanische Savanne in der "Prestige"-Flotte von Europcar zu suchen? Naja, nicht mein Problem. Dann ging es aber los ins Parkhaus. Der Rundgang ums Auto verlief ohne Überraschungen, denn der Landy war scheinbar brandneu. Wie sich später herausstellte, war ich erst der zweite Mieter und der Wagen hatte frische 600 Kilometer auf dem Zähler.
Ausstattung
Vorneweg einige Dinge, die man in einem Defender NICHT erwarten kann: Da wären z.B. Airbags, Servolenkung, Elektrische Spiegel, Handschuhfach.
Aber mal ehrlich: Dort, wo ein Defender üblicher Weise eingesetzt wird, braucht das kein Mensch.
Beim verfügbaren Zubehör in der Aufpreisliste hat Europcar dann allerdings voll zugeschlagen. Damit die Fahrt durch die Savanne die Großstadt für den verwöhnten Mitteleuropäer auch recht angenehm verläuft, bietet der Landie folgende Extras:
- Exklusivpaket (elektr. Fensterheber, ZV mit Fernbedienung)
- Winterkomfortpaket (Sitzheizung, beheizbare Front- und Heckscheibe)
- Technikkomfortpaket (Klimaanlage und CD-Radio mit 4 Lautsprechern)
Somit schon fast auf LDAR-Niveau
Einsteigen und Los!
Ich war nicht bei der Bundeswehr. Daher bin ich nie mit einem Panzer oder mit einem "Wolf" gefahren, aber ich weiß jetzt wie es sich anfühlen muss.
Im Defender sitzt man extrem hoch und blickt durch die schmale, senkrecht stehende Frontscheibe wie durch eine Schießscharte. Der Raum um den Fahrer ist sehr begrenzt, es gibt kaum einen bequemen Platz für den linken Fuß, wenn dieser gerade nicht die Kupplung bedient. Kopf und Schulter sitzen direkt an der B-Säule bzw. am Dach. Kleiner Gegensatz zum Panzer: Die Tür, welche sich mit einem lauten "Rumms" schließen lässt, hat in etwa die Wandstärke einer Müslipackung. Der Fahrersitz ist nicht höhenverstellbar. Dafür ist der Raum zwischen Fahrer- und Beifahrersitz umso größer. Hier lässt sich auch noch ein Rucksack oder eine Kühltasche unterbringen.
Das Radio wurde kurz getestet und gleich wieder ausgemacht: Die Lautsprecher eignen sich sicherlich, um einer Kurzwellenübertragung von "Radio Timbuktu" zu lauschen.
Für angenehmes Musik hören während der Fahrt sind die aber mehr als ungeeignet. Na gut, also erstmal Motor starten und los... ... wo ist denn die verdammte Zündung? Lenksäule? Mittelkonsole? Der Landy sollte doch nicht etwa einen "Start-Button" besitzen? Natürlich nicht. Es ist ein britisches Auto ... das Zündschloss befindet sich links unten an der Lenksäule!
So ein Landy hat einen Wendekreis wie ein Bus (13m)! Ich musste tatsächlich zurücksetzen, um nicht die Schrankenanlage an der Ausfahrt platt zu machen (was dem Wagen aber sicher nichts ausgemacht hätte). Auf der Straße angekommen, merkte ich, dass die Spiegel noch nicht korrekt eingestellt sind. Kein Problem: Der Landy-Fahrer lässt dann einfach das Fenster runter, streckt den Arm in den Fahrtwind und greift nach dem Spiegel. Fertig. Passt. Die Beifahrerseite muss warten bis zur nächsten roten Ampel.
Nach den ersten Metern durch die Stadt hatte ich mich schnell eingewöhnt und die Begeisterung kannte keine Grenzen. So muss sich ein echter Geländewagen anhören, anfühlen, poltern, dröhnen Großartig! Man hat eine hervorragende Sicht über alle PKW hinweg und eine gute Rundumsicht, durch die großen Seitenscheiben. Ich konnte es kaum erwarten, irgendwo vom Asphalt runter zu kommen.
Am nächsten Tag dann die erste Fahrt mit 3 Personen. Unsere Mitfahrerin erklomm den "Fond" des Fahrzeugs durch die Hecktür. Die beiden Sitze im Heck lassen sich mit zwei Handgriffen runterklappen und auseinanderfalten. Sie bieten genug Komfort für normal große Erwachsene (inkl. ausziehbarer Kopfstütze). Von der ersten Reihe aus bot sich ein lustiges Bild, da sich die "Rückbänke" rund 35 cm höher befinden als die Vordersitze. Die Fond-Passagiere nutzen daher nicht die großen Fenster zum Hinaussehen, sondern das schmale Oberlicht an der Dachkante. Meine Freundin taufte diesen Platz daher "Zebra-Beobachtungs-Posten".
Am Abend machte ich mich nochmal auf den Weg "aufs Land", nach Brandenburg. Mit etwas Glück fand ich wunderbare (öffentliche) Feldwege und Schotterpisten, die man legal befahren durfte. Allerdings würde sich niemand mit einem normalen PKW hier das Auto ruinieren. Für meinen Landy aber war es genau richtig ... fast schon zu langweilig.
Auf einem schlammigen Acker habe ich auch mal die Geländeuntersetzung und die Differenzialsperre ausprobiert. Faszinierende, altbewährte Technik. Ohne gründliches Studium des Handbuchs ist aber schnell das Getriebe im Eimer. Hoffentlich sind nachfolgende Mieter genauso "belesen" wie meine Wenigkeit.
Fazit
Ich finde es großartig, dass man dieses, doch sehr spezielle Fahrzeug, endlich bei einer der großen deutschen Autovermietungen erhalten kann. Der Defender ist nun mal DER Klassiker unter den Geländewagen und er darf sich auch wirklich noch "Geländewagen" nennen. Abgesehen von der gigantischen Anhängelast bringt ein Landy seinen Fahrer an Orte, von denen der Durchschnitts-SUV-Pilot nur träumen kann. Es war ein großartiges Wochenende mit einem bitteren Nachgeschmack: Der Dinosaurier, mit der Aerodynamik einer Tiefkühltruhe und dem Leergewicht von 4 Daihatsu Cuore, ist durstig! Schnallen Sie also besser ein paar Kanister Diesel aufs Dach, bevor es wieder in die Wildnis zum Einkaufszentrum geht.
Erwähnenswerte Besonderheiten
- Der Lichtschalter ist ein kleiner Kippschalter, links an der Lenksäule. In der Stellung "Licht ein" sitzt er direkt über dem Zündschlüssel. Man kann den Motor also nur abstellen, wenn man vorher das Licht ausgeschaltet hat. Ein simpler Schutz vor einer entladenen Batterie!
- Nichts für Schreckhafte: Durch das grobe Reifenprofil hat man schnell einige Steine "eingesammelt". Wenn sich diese bei höherer Geschwindigkeit lösen, gibts im Radkasten ein "Feuerwerk" für die Ohren. Ohne die Schmutzfänger an den Hinterrädern würde der Steinchenregen wohl auf das nachfolgende Auto niedergehen.
- Der Defender wird seit 1948 gebaut. Ohne größere Veränderungen im Design. 2015 allerdings ist Schluss: Neue EU-Richtlinien zum Fußgängerschutz sprechen dem kantigen Unikum seine Daseinsberechtigung ab! Also dann: goodbye, Landy! See you in Africa!
Bilder