„Vorsprung ist unser Versprechen. Nie zuvor konnten wir es so umfassend, so weitreichend einlösen wie mit dem Audi A8. Mit ihm beginnt eine neue Designsprache, eine neue Idee von Bedienung, ein neues Level an Qualität. Der Audi A8 präsentiert die Zukunft der Luxusklasse.“
Sehr selbstbewusst bewirbt Audi den A8. Aber gut, das gehört dazu – welcher Werbetexter würde schon schreiben: „Der neue [Fahrzeug] – solider Durchschnitt in seiner Klasse.“ ? Richtig, keiner. Und gerade wenn es um die Flaggschiffe der deutschen „Big Three“ geht, muss man den eigenen Anspruch auch klar vertreten. Wer dahingehend mal lachen möchte, muss die Pressemitteilungen zum Marktstart des A8 lesen…da fallen Marketing-Schlagworte wie „Schwarmintelligenz“ und „Sensorfusion“. Weltklasse.
Fraglich bleibt allerdings, ob Audi das genannte Versprechen tatsächlich einlösen kann.
Nachdem ich Ende letzten Jahres eher zufällig zweimal XDAR – konkret S-Klasse – gemietet hatte, war ich sofort angefixt. Privat fahre ich derzeit FDAR, ebenfalls aus Stuttgart. Und davor brachte mich ein Corsa von A nach B. Die C-Klasse war schon ein ziemlicher Quantensprung im Vergleich zur Knutschkugel aus dem Jahr 2003, ohne Frage. Vor der S-Klasse stehend fragte ich mich dann, wie viel besser sie schon sein könnte.
Nun, ziemlich.
Aber das ist eine andere Geschichte, was bleibt ist der Wunsch, auch einmal die beiden anderen Vertreter der deutschen Luxusklasse zu testen und zu erfahren, wer in diesem prestigeträchtigen Segment an der Spitze liegt. So begab es sich, dass mir bei der Abholung meiner letzten Reservierung ein Audi A8 50TDI angeboten wurde, und das auch noch zu einem Knallerpreis. Die Details zur Anmietung gibt es hier.
Gesagt, getan.
Sehr präsent steht er da, die 19-Zöller tragen nicht zu dick auf. Vom Außendesign her gefällt er mir persönlich richtig gut, auch wenn er sich vielleicht nicht soooo sehr vom A6 abhebt. Aber das geschulte Auge erkennt, was da vor einem steht.
Mit einem BLP von über 110.000 € war ausstattungsseitig einiges vorhanden (mit Dank an Mr_T0astbr0t , unseren örtlichen VIN-Enthusiasten):
-HUD
-Assistenzpaket Stadt
-Assistenzpaket Tour (Serie)
-HD-Matrix LED (Serie)
-mehrfarbiges Ambientelicht
-Akkustikglas
-360° Kamera
-Glasdach (von Audi als „Panorama“-Glasdach beworben, tatsächlich ist es ein….einfaches Glasdach)
-B&O Soundsystem mit 3D-Sound
-Lederpaket
-Standheizung
-4-Zonen-Klima
-Lenkradheizung
-Wärmekomfortpaket vorn
-großer Tank (82L)
Nach dem Öffnen folgt bei mir grundsätzlich als erster Schritt: Jacke ausziehen und auf dem hinteren Sitz ablegen. Und da ergab sich das erste Omen: die hintere Tür auf der linken Seite – vielmehr das Fangband – quietscht. Sehr merkwürdig, hat das Fahrzeug doch erst 2.200 km runter. Scheinbar aber nicht neu, jemand hat nochmal eine Extraportion Schmierfett dort appliziert. Geholfen hat es jedoch nicht, ich habe es mal filmisch festgehalten (sorry für das Video im Dunkeln, ich hätte es aber fast vergessen):
Ein bisschen peinlich ist das schon. Zum Glück benutzt man ja aber eh meist nur die Türen vorne links oder hinten rechts.
Im Innenraum ergibt sich ein Bild, das man aus dem aktuellen A6, sofern er etwas besser ausgestattet ist, schon kennt. Mit dem Unterschied, dass die Materialien nochmal deutlich besser sind. Insbesondere das dunkle Holz mit der fühlbaren Maserung ist sehr gut gelungen. Es bewegt sich sogar!
Die Sitze sind die „Standard“-Sitze, falls man sie so nennen kann. Deren Sitzfläche könnte etwas länger sein, aber unabhängig davon sind sie äußerst bequem und ich kann mich nach den rund 900 km bisher nicht beschweren. Der erste Eindruck vom Innenraum ist daher ziemlich gut. Die beiden Displays spiegeln (haha…) Audis aktuelles Bedienkonzept wider, mit all dessen Vor- und Nachteilen. Ich persönlich bevorzuge für die Bedienung der Klimaanlage jedenfalls weiterhin mechanische Tasten. Aber das ist Geschmackssache. Jedenfalls ziehen die Displays Fingerabdrücke an, man sollte also immer ein Mikrofasertuch am Start haben.
Ist kein Beinbruch, in meiner C-Klasse habe ich neuerdings dank des Klavierlacks auch immer einen Swiffer dabei. Nett ist jedenfalls das mehrfarbige Ambientelicht, das im Gegensatz zur S-Klasse Leuchtakzente setzt und keine indirekte „Aura“ erzeugt. Stichwort Licht: das durchgehende Leuchtband am Heck gefällt mir sehr gut, ebenso das Matrix-LED-Licht, welches zuverlässig arbeitet (und nicht wie beim Range Rover kürzlich nach 30 Minuten Betrieb überhitzt…).
Allerdings fällt auch auf: im A6 gibt es beleuchtete Gurtschlösser. Im A8 nicht. Warum? Oder ist das Sonderausstattung? Sei es drum: nachdem alle Einstellungen getroffen und das Telefon verbunden wurde, ging die Fahrt auch schon los. Angetrieben wird dieser A8 vom bekannten „50TDI“-Motor, einem V6-Diesel mit 3L Hubraum und – in dieser Ausbaustufe – einem Turbolader. Am Ende stehen 286 PS und 600 NM auf der Uhr. Und: 48V Bordnetz aus einem Riemen-Startergenerator. Aber dazu später mehr.
Ach, das wichtigste: der sehr schicke, rahmenlose Innenspiegel - er blendet automatisch ab 
Zum Antrieb: Der 50TDI ist hier im Forum ja berüchtigt. Ich würde gerne sagen, dass er im A8 besser läuft, aber leider tut er das nicht. Die Abstimmung zwischen Motor, Getriebe und Gaspedal ist ganz einfach nicht stimmig. Teilweise vergehen zwischen der veränderten Pedalstellung und dem tatsächlichen Vortrieb bis zu 3 Sekunden (!). Und das liegt ganz sicher nicht am Fahrer, denn dem Tempomaten passiert das auch. Der adaptive Tempomat ist im Grunde richtig gut. Er hält Abstand, erkennt selbstständig Tempolimits und regelt die Geschwindigkeit entsprechend und ohne Fahrer-Input hoch bzw. runter. Das funktioniert in 9 von 10 Fällen gut, stellenweise werden auf der BAB aber Limits auf Abbiege- oder baulich getrennten Nebenspuren erkannt. Das führt dann dazu, dass das System den Anker wirft und man als Fahrer eingreifen muss. Blöd, wenn hinter einem jemand ist.
Konkret mit Bezug zum Antrieb merkt man dessen Schwächen aber reproduzierbar immer dann, wenn man aus einer Baustelle auf der BAB mit Begrenzung „80 km/h“ herausfährt. Das System erkennt die Limitfreigabe und möchte auf 130 km/h hochbeschleunigen. Der Input wird Richtung Motor gesendet. Man fühlt als Fahrer dann, dass die Elektronik erstmal nicht weiß, was sie machen soll, wild im Getriebe hin- und herrührt, nur um dann zwei Gänge tiefer mit den vollen 600 NM loszuknallen. Das geht besser. Aber: wenn er einmal rollt, dann nimmt sich der Motor moderate 6 L Diesel auf 100 km, was völlig in Ordnung ist. Auch weil das Auto sehr oft mit „Motor aus“ segelt. Die Laufruhe des mittlerweile durchaus betagten Aggregates kann man an dieser Stelle einmal ausdrücklich loben. Es sind keine Vibrationen spürbar und beim segeln selbst merkt man vom start/stopp der Maschine absolut nichts.
Stichwort rollen: Der A8 hat in Serie ein Luftfahrwerk. Das merkt man auch sofort an dem charakteristischen, leichten Nachschwingen. Aber: es ist bei weitem nicht so gut wie die Airmatic in der S-Klasse. Dort fährt man los und spürt lediglich kurze Querfugen, ansonsten ist es tatsächlich so, als würde man auf einer Wolke fahren. Im Audi hingegen merkt man, dass die Ingolstädter sich nicht so ganz vom Anspruch der „Sportlichkeit“ trennen wollten. Der Kontakt zur Straße und deren Beschaffenheit ist jederzeit spürbar, vermutlich um das Fahrerlebnis zu steigern. Was aber keinen Sinn macht, da die Lenkung so leichtgängig und gefühllos ist, dass man absolut gar nichts davon merkt ein 2-Tonnen-Gefährt zu bewegen. Nicht falsch verstehen: man reist sehr, SEHR angenehm. Aber Luxus wie im W222 ist es nicht so ganz.
Kompromisslos herausragend jedoch: das HUD. In Klarheit und Darstellung absolute Spitze, teilweise sogar mit animierten Fahrspurwechseln bei etwas komplizierteren Autobahnkreuzen. Das kann derzeit keiner besser. Ebenso wie das bekannte Virtual Cockpit, über dessen Qualität man nicht viele Worte verlieren muss.
Eine Menge – wenn auch kein uneingeschränktes – Lob für den A8 also? In der Tat.
Aber.
Die Frage war: kann Audi das Versprechen halten, die Zukunft der Luxusklasse anzubieten? Nunja. Ich will es so sagen: singulär und für sich allein betrachtet ist der A8 ein Spitzenprodukt, mit dem man komfortabel und sicher die Kilometer abreißen kann. Nur gibt es in dem Segment eben auch Konkurrenz. Und gerade in der Region, wo der Kaufpreis dem eines kleinen Hauses in der Provinz entspricht, da darf man sich eigentlich keine Schwächen erlauben.
Wie vielen von euch bekannt ist, ist der aktuelle A6 (C8) nicht frei von Kritik, insbesondere was die Verarbeitung angeht. Ich hatte ihn bisher 2x in der Miete und beide Fahrzeuge hatte im Bereich der Zierleisten über dem Handschuhfach ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes Knistern bzw. Knarzen, genauso in der Mittelkonsole. Jetzt sollte man sich denken, dass die Qualitätskontrolle im A8 eine andere ist. Dem scheint aber nicht so zu sein. Meiner hatte jedenfalls von Anfang an in der B-Säule, genau auf Ohr-Höhe ein leises, gleichwohl dauerhaft hörbares Knistern im Bereich der Gurtverstellung. Unschön und für den Preis nicht akzeptabel. Hinzu kommt außerdem, dass bei Regen die Luftverwirbelungen um den Außenspiegel das Spritzwasser genau auf Kopfhöhe noch zusätzlich an die B-Säule schleudern. Trotz Akkustikglas war das Geräuschniveau entsprechend hoch. Mag sein, dass ich von der S-Klasse verwöhnt bin, aber das fand ich wirklich schade. Ich dachte anfangs, die Fenster wären nicht richtig zu.
Luxusprobleme, schon klar, aber zusammen mit dem unstimmigen Antrieb trübte es das Gesamtbild schon deutlich.
Denn eines muss man herausstellen: Der A8 ist relativ jung (Juli 2017). Die S-Klasse ist seit 2013 (!) auf dem Markt (ja ich weiß, sie wurde zwischendurch modellgepflegt, aber da gab es im Wesentlichen neue Motoren und bessere Assistenzsysteme. Grundkonstruktion, Fahrwerk und Dämmkonzept haben sich nicht geändert). Sie bekommt nächsten Monat einen Nachfolger. Und der W223 wird sicherlich noch eine Schippe drauflegen und dann wird es für den A8 leider ziemlich eng, denn müsste ich für eine lange Tour wählen: selbst die „alte“ S-Klasse würde den Vorzug bekommen.
Auch im Hinblick auf Assistenz: Die stellenweisen Fehl-Erkennungen (ist das ein Wort?) vom Verkehrszeichenassistenten waren das eine, negativ aufgefallen ist insbesondere auch der Toter-Winkel-Warner. Der ist regelmäßig im Stand an Ampelkreuzungen aktiv geworden – obwohl vor und hinter mir weit und breit niemand zu sehen war, erkannte der Assistent fahrerseitig mehrfach ein Fahrzeug und ist dementsprechend eskaliert. Bei aktivem Blinker wurde man dann stroboskop-artig vor (vermutlich) dem Ampelmast gewarnt.
Insgesamt frage ich mich tatsächlich – quo vadis Audi? Sicher, der A8 ist ein hervorragendes Fahrzeug, das sage ich gerne nochmal. Aber was Komfort und die Verarbeitung angeht … bin ich durchaus ernüchtert. Die S-Klasse ist deutlich spürbar besser.
Im Endeffekt muss man sich die Frage stellen, was man von einer Limousine in dieser Klasse erwartet: Kompromissloses, luxuriöses gleiten oder „Sportlichkeit“ bei Bedarf, und dann entsprechend wählen. Letzteres wird jedoch immer nur eine Zwischenlösung darstellen.
Mir fehlt jetzt noch der 7er. Bin gespannt, wie der sich so anstellt.
Abschließend noch: das verbaute B&O-System kostetsatte 6.500 1.200 € Aufpreis, hat aber – trotz Nachregelung – einen erschreckend
dünnen Bass und die Hochtöner vibrieren stellenweise in ihren Halterungen. Auch das ist schade.
Edit: weiter unten im Thread gibt es ein weiteres, nicht ganz so ernst gemeintes, Video 
wird angepasst. Ist aber dennoch...fragwürdig, das System.
