"Ein Carsharing ist heute einfacher zu verkaufen ..." Interview mit ZebraMobil-Chef Matthias Hoene

Zum Start vielleicht ein kurzer Rückblick: Rund zwei Monate ist es her, dass ZebraMobil sein Angebot in München eingestellt hat. Ein Grund war die mangelnde Wirtschaftlichkeit. In welchen Bereichen hätte sich ZebraMobil anders entwickeln müssen?


Der Grund war nur zum Teil die mangelnde Wirtschaftlichkeit. Es ist tatsächlich schwierig, Carsharing profitabel zu betreiben, aber mit unserem Parkzonenmodell und mit unserer schlanken Kostenstruktur waren wir gut aufgestellt. Nachfrage und Umsatz sind gerade in den letzten Monaten sehr stark gestiegen. ZebraMobil war aber mit 70 Autos in einer einzigen Stadt zu klein, um auf Dauer sowohl wirtschaftlich als auch unternehmerisch interessant zu sein.


Wir haben daher seit einiger Zeit nach einem Partner gesucht, mit dem wir das Modell über München hinaus hätten ausrollen können. Dabei ist es uns leider nicht gelungen, jemanden zu finden, mit dem wir zu akzeptablen Bedingungen gemeinsam hätten weiter wachsen können. Wir standen also irgendwann vor der Entscheidung, ob wir, in einem stark wachsenden Markt, in München relativ klein bleiben – oder noch einmal etwas ganz anderes anfangen sollten.


Im Nachhinein hätten wir wohl noch früher auf weitere potentielle Kooperationspartner zugehen sollen. Carsharing ist ein kapitalintensives Geschäft – das war uns von Anfang an klar –, das für Autohersteller leichter zu betreiben ist. Wir haben aber immer den Vorteil der Unabhängigkeit und der Kreativität des Startups für uns zu nutzen versucht, und ich glaube, das ist uns auch ganz gut gelungen.


Sie haben längere Zeit in den USA gelebt und waren dort selbst Carsharing-Nutzer. Uns interessiert: Wie unterscheidet sich Ihrer Ansicht nach das Carsharing in Deutschland zu dem in Amerika?


In Amerika gab es nennenswerte erste Carsharing-Anbieter erst ab den späten 90er Jahren, also viel später als in Deutschland oder in der Schweiz. Zipcar wurde erst im Jahr 2000 gegründet und ist inzwischen der mit Abstand größte Carsharing-Anbieter der Welt geworden. Zipcar ist schon seit Jahren in Amerika sehr angesagt und eine echte Erfolgsstory – obwohl es aus meiner Sicht nicht besonders innovativ und kundenfreundlich und nicht einmal besonders günstig ist.


In den letzten zwei bis drei Jahren jedoch hat sich Carsharing ganz erheblich weiterentwickelt, und dies ging eindeutig von Deutschland aus. Stationsunabhängige und reservierungsfreie Modelle in ihren verschiedenen Ausprägungen, car2go oder DriveNow oder eben auch ZebraMobil, sind hier entstanden. Ich glaube, dass Carsharing hierzulande inzwischen weit innovativer als in den USA ist, und zumindest car2go rollt ja auch weltweit aus und ist dabei, auch in den USA Bewegung in den Carsharing-Markt zu bringen.


Mit ZebraMobil waren Sie 2011 (einer) der erste(n) Carsharing-Anbieter mit stationsunabhängigem System in Deutschland. Sie haben viel Pionierarbeit geleistet und das Autoteilen, vor allem in München, vorangetrieben. Ist Carsharing heute einfacher zu verkaufen als noch vor zwei Jahren?


Ja, auf jeden Fall, zumindest in Deutschland: Noch 2010 war Carsharing ziemlich exotisch und hat nur eine relativ kleine, vor allem ökologisch motivierte Gruppe interessiert. In der kurzen Zeit seitdem hat sich die Anzahl der Carsharing-Nutzer vervielfacht – wozu natürlich die Sichtbarkeit der Angebote von Daimler und BMW sehr beigetragen hat. Heute muss man viel weniger erklären, was Carsharing ist, weder Kunden noch Investoren noch den verantwortlichen Menschen in Stadtverwaltungen. Wir sind stolz darauf, mit ZebraMobil ein Stück weit diesen Stein ins Rollen gebracht zu haben.


Carsharing erlebt in Deutschland gerade einen regelrechten Hype, auch bei den Medien steht das Thema hoch im Kurs. Wie ist Ihre Einschätzung zur weiteren Entwicklung des Carsharing-Marktes in Deutschland?


Ich bin weiterhin optimistisch, was Carsharing angeht. Ich glaube, die Entwicklung steht noch ziemlich am Anfang. Der Hype wird abklingen, wie das nach der ersten Euphorie immer der Fall ist, aber die Entwicklung wird weitergehen.


Für mich spannend ist die Frage, wer die Anbieter der Zukunft sein werden, mit welchen Modellen – und wie sich diese wirtschaftlich tragen werden. Angebote von Autoherstellern werden wahrscheinlich auf längere Sicht eine führende Rolle spielen.


Auch hierzulande entwickeln sich, ähnlich wie in den USA, aus dem Carsharing weitere Ableger heraus, wie zum Beispiel p2p-Carsharing. Was halten Sie von dem Ansatz, sein Privatfahrzeug über p2p-Carsharing zu teilen?


Vordergründig ist p2p-Carsharing natürlich eine tolle Idee: Der eine hat ein Auto, das er 23h am Tag nicht braucht, der andere braucht auch manchmal eines und möchte dafür auch noch zahlen. In der Praxis, glaube ich, wird es p2p-Carsharing aber schwer haben. Das Carsharing mit eigener Flotte ist für den Kunden letztlich doch bequemer und zuverlässiger, vor allem, was die Frage des Zugangs und der Schlüsselübergabe angeht. Da gibt es ja die eine oder andere Ankündigung von p2p-Anbietern, das technisch zu regeln – aber wir wissen aus eigener Erfahrung: Eine zuverlässige Carsharing-Elektronik ist nicht billig, die Integration ins Fahrzeug nicht einfach (selbst wenn man nur wenige Fahrzeugmodelle in der Flotte hat), und sie lohnt sich vor allem erst ab einer bestimmten Auslastung – welche bei geteilten Privatautos wohl zu gering ist.


Viele Details kommen hinzu, vom Kundenservice über die Verantwortung, wenn etwas schief geht, bis hin zur Besteuerung der Umsätze des Fahrzeughalters. p2p-Carsharing, anders als Carsharing mit eigener Flotte, ist ein Geschäftsmodell, das ganz klar vom Netzwerkeffekt profitiert. Daher müsste sich in diesem Markt eigentlich ein dominanter Anbieter herauskristallisieren – zur Zeit scheint das aber nicht der Fall zu sein.


Wenn wir zurück zum „klassischen“ Carsharing kommen: Die Konkurrenz ist groß, viele Anbieter setzen mehr oder weniger auf zwei oder drei gleiche Systeme der Vermietung. Welchem Carsharing-Dienst würden Sie derzeit gute Zukunftschancen attestieren?


Die Konkurrenz wächst, der Markt und die Nachfrage aber auch. car2go und später DriveNow haben das urbane Einweg-Carsharing etabliert. Dadurch, dass die beiden Anbieter so präsent sind, glauben viele Menschen, Carsharing sähe immer genau so und nie anders aus. Das Einweg-Modell wird auch bleiben, offensichtlich gibt es reichlich Nachfrage danach. Die Form der Koexistenz mit anderen Einweg-Verkehrsträgern wie ÖPNV oder Taxi muss noch geklärt werden, aber dazu machen sich schon viele Menschen Gedanken.


Darüber hinaus gibt es aber auch die Nachfrage nach Angeboten für längere und weitere Fahrten, wofür die Einweg-Systeme nicht geeignet und nicht wirtschaftlich sind. Diesen Markt hat ja u.a. ZebraMobil bedient. Unser Anspruch war von Anfang an, den besten Ersatz fürs eigene Auto zu bieten: Daher das Parkzonenmodell, mit dem die Fahrzeuge genau wie Anwohnerautos geparkt werden können, und die Reservierungsfreiheit, weil ich beim eigenen Auto auch niemandem zu sagen brauche, wann ich es zurückbringe.


Das eigentlich klassische Carsharing, also entweder feste Stationen oder Parkzonen mit Reservierung, kann man günstiger als die neuen Modelle anbieten, wenn man die Reservierungspflicht dazu nutzt, die Auslastung zu erhöhen. Auch für diese günstigeren, wenn auch weniger flexiblen Formen des Carsharings wird es weiterhin Bedarf geben.


Ich glaube daher, dass sich in Zukunft mehrere Formen des Carsharings halten werden. Die Kunden werden je nach Bedarf unterschiedliche Systeme und Anbieter nutzen, und die Anbieter müssen ihre jeweiligen Vorzüge noch stärker hervorheben.


Stichwort „Konkurrenz“ – Die Einstellung von ZebraMobil kam nicht nur sehr überraschend, sondern fast gleichzeitig mit der Ankündigung von car2go und CiteeCar, auch auf dem Münchener Carsharing-Markt starten zu wollen. In wie weit hat das die Entscheidung beeinflusst oder den zuvor gefassten Entschluss bestätigt?


Gar nicht. Gegen Ende 2010, kurz bevor wir im Begriff waren zu starten, wurde DriveNow angekündigt. Wir waren damals einerseits erschrocken über die doch schnell nachziehende Konkurrenz, andererseits war es eine Bestätigung, dass wir auf den richtigen Trend gesetzt haben. So ist es bis heute: Der Markt wächst nach wie vor, und es ist genug Platz für mehrere Anbieter – wenn sie sich hinreichend differenzieren. car2go hat sich spezialisiert auf kürzere Stadtfahrten mit höchstens einem Mitfahrer, während ZebraMobil vor allem für mittlere und längere Fahrten mit etwas geräumigeren und komfortableren Autos die beste Wahl war. Beide ergänzten sich daher gut. Wie sich CiteeCar behaupten wird – die Positionierung ist ja in erster Linie über den Preis –, wird sich noch zeigen.


Als BMW mit DriveNow und Daimler mit car2go auf den Markt kamen, gab es dann auch sehr schnell das Gerücht, dass ZebraMobil das Carsharing von Audi sei oder sich daraus entwickeln soll. Wie haben Sie das aufgenommen und wie sah es wirklich aus?


Diese Gerüchte gab es, und wir haben uns davon durchaus geschmeichelt gefühlt. Wenn uns jemand mit Audi assoziiert, ist das kein Grund für eine Gegendarstellung – im Gegenteil, für viele Menschen schafft das noch mehr Vertrauen. In Wirklichkeit ist ZebraMobil bis heute ein herstellerunabhängiges Startup-Unternehmen, mehr als 90% der Firma gehören den beiden Gründern. Wer einmal mit uns zu tun hatte, wird auch schnell gemerkt haben, dass wir nicht wie ein Konzern auftreten. Nachdem wir gestartet sind – die ersten von uns geleasten Autos waren eigentlich eher zufällig Audis –, ist Ingolstadt aber auf uns aufmerksam geworden, und die Zusammenarbeit ist ab dann immer enger geworden. Wir sind schließlich sogar Untermieter in einem Bürogebäude von Audi geworden.


Dass Autohersteller im großen Stil in das Carsharing investieren, ist unübersehbar. Nach BMW, Daimler, Volkswagen und Citroën haben nun auch Ford und Toyota erste Versuche gestartet. Wie beurteilen Sie das, ist die Aktivität der Autohersteller nur ein Strohfeuer oder eine ernsthafte Zukunftsinvestition?


Für Autohersteller ist Carsharing ein Ansatz, um jüngere Menschen, die inzwischen weniger Wert auf ein eigenes Auto legen als früher, für sich zu interessieren und an sich zu binden. Außerdem ist Carsharing eine Plattform, um Elektroautos zu erproben, um Telemetriedaten und Kundenfeedback zu sammeln und manches mehr. Dafür sind die innerstädtischen Einwegmodelle besonders geeignet – allerdings sind diese im Betrieb am wenigsten wirtschaftlich. Dass für Autohersteller hingegen Nachhaltigkeit oder der Ersatz von Privatautos eine nennenswerte Rolle spielen, wie für die klassischen Carsharing-Anbieter, kann man wohl unter Marketingbehauptungen subsumieren.


car2go und DriveNow bleiben uns sicherlich erhalten, BMW und Daimler meinen es ernst. Im Vergleich dazu wirken die Aktivitäten von Ford und Toyota ein wenig halbherzig und wenig innovativ. Citroën setzt mit Multicity sehr konsequent auf Elektroautos und differenziert sich dadurch, ist aber nach wie vor nur in Berlin. Quicar von VW hat kein klares Profil, und es wird interessant sein zu beobachten, was VW nun mit Greenwheels plant. Außerdem bin ich gespannt, wie sich die Zweckehe zwischen BMW und Sixt entwickeln wird.


Neben Autoherstellern setzen auch Autovermieter auf Carsharing. In den USA waren Sie selbst Nutzer von „Zipcar“, das mittlerweile zur Avis Budget Group gehört. Unter anderem Namen gibt es den Dienst bereits in Österreich und Spanien. Klingt das nach einem baldigen Start auch auf deutschem Boden?


Zipcar gibt es schon seit 13 Jahren und in Europa seit knapp 7 Jahren, da hätte es die Chance zum Start in Deutschland auch schon früher gegeben. Mit seinem heutigen Modell, also festen Stationen mit Reservierung und relativ teurer Zeitgebühr, könnte sich Zipcar in Deutschland heute nicht mehr durchsetzen. Wie vorhin gesagt – die Innovation im Carsharing geht seit ein paar Jahren von Deutschland aus, und Zipcar müsste sich aus meiner Sicht etwas einfallen lassen, um sich hierzulande zu differenzieren.


Da wir nun schon mehrfach über Zukunft und Pläne gesprochen haben: Bleiben Sie dem Carsharing treu und auf was für ein neues Projekt können wir von Ihnen hoffen?


Was mich persönlich angeht, will ich die seltene Chance nutzen, mich noch einmal ganz neu zu orientieren. Das Thema Mobilität und Carsharing werde ich aber weiterhin mit viel Interesse und auch nicht ganz unbeteiligt verfolgen!


Das ist ein schönes Schlusswort, Herr Hoene! Wir bedanken uns für Ihre Zeit und wünschen Ihnen für die anstehenden Projekten viel Erfolg!