Mit dem Twizy durch Europa - Reisebericht

  • Würzburg - Berlin - Amsterdam - Oostende - Canterbury - Paris - Würzburg
    Deutschland - Niederlande - Belgien - Vereinigtes Königreich - Frankreich - Deutschland


    Was macht man mit einem Elektrofahrzeug, was für den Stadtverkehr konzipiert ist und eine Reichweite von etwa 80 km hat?
    genau! eine Europareise
    Letztes Jahr im Spätherbst haben wir diese Reise mit dem Twizy unternommen, hier nun der Bericht:


    Wie lange sie gedauert hat, weiß ich nicht mehr genau. Etwa drei bis vier Wochen, der Weg war eben das Ziel. Ach, hatte ich erwähnt, dass wir zu zweit waren?
    Zu zweit, im Twizy, mit Gepäck, durch Europa
    ja, das geht; seht selbst:


    Gestartet sind wir in Würzburg. Der Weg nach Berlin kommt mir vor, als hätten wir ihn an einem Nachmittag zurückgelegt. Doch der Twizy kann nicht so schnell, denn er muss immer mal Luft holen. In Elektrofahrzeugsprache heißt das dann: aufladen. 80 km fahren, 3,5 Stunden aufladen. Rechnet man das durch, kommt man auf einen theoretischen Wert von 240 km pro Tag, wenn man über Nacht aufladen kann. Das konnten wir jedoch fast nie, also kamen etwa 150 km pro Tag raus.
    In Deutschland gibt es eine relativ hohe Dichte von frei zugänglichen Elektrotankstellen, die unter anderem auf http://lemnet.org/LEMnet_Map.asp einzusehen sind. Anhand der Tankstellen habe ich die Route in Deutschland geplant und mit ihr sind wir gut ans Ziel gekommen. Oft werden die Tankstellen von Privatleuten angeboten, die auch ein Elektrofahrzeug haben. Und oft kommt man mit diesen ins Gespräch, kann sich ihre Elektroautos anschauen und bekommt manchmal auch was zu Essen oder einen warmen Tee. Gab es mal Abschnittsweise keine eingezeichnete Tankstelle, haben wir einfach gefragt. Ein "Guten Tag, können wir mal eine Steckdose von ihnen benutzen?" hat meistens geholfen.
    So kamen wir in Berlin an, so ging es weiter nach Wolfsburg.
    Dort haben wir an einer Tankstelle aufgeladen, die von der Wolfsburg AG, einem Gemeinschaftsprojekt der Stadt Wolfsburg und der Volkswagen AG, betrieben wird. Und wie es der Zufall so will, war dort gerade ein große Elektroveranstaltung, auf der VW unter anderem seine Elektrofahrzeuge bewerben wollte. Nachdem der Twizy aber vor Ort war, sank das Interesse an den VW-Fahrzeugen mehr oder weniger.

    Während der Ladezeit bin ich dann aber mal einen Elektrogolf gefahren. Zur Feier unserer weiten Anreise haben wir dann auch Essensgutscheine für das in die Tankstelle integrierte italienische Restaurant bekommen. So macht Aufladen Spaß :)

    Viele Ladestationen sind auch von den örtlichen Stadtwerken eingerichtet und manchmal trifft man dort Interessantes:

    3x Tesla, Leaf und 2x Twizy!
    Weiter gings über Osnabrück und Münster und:
    tata!


    Nederlands!

    Ich war noch nie richtig dort gewesen. Auffallend schön waren die niederländischen Häuser. Oft groß, verschnörkelt und mit großen Fenstern. Auf dem Land waren die Fenster meist so groß, dass man von der Straße aus durch das Haus hindurch in den Garten schauen konnte.
    Zur Erschließung ihres Landes schütteten die Niederländer nicht nur das Meer teilweise zu, sie heben auch ihre Straßen hoch.

    Auf der lemnet-Karte gibt es dort leider nur wenige frei zugängliche Schuko-Steckdosen, sodass ich das Konzept entwickelte, einfach bei Renault-Händlern auf dem Weg zu fragen, ob wir dort aufladen können. Das war nie ein Problem und wie man sich vorstellen kann, war der Twizy from Germany eine kleine Sensation. In Amsterdam stellte uns sogar der Renault-Händler "Arend Auto" seinen Twizy zur Verfügung, sodass wir während der Ladezeit in Amsterdam mobil waren.

    Die niederländischen Twizy brauchen vorn kein Nummernschild.
    Über der/die/das Rijksweg ging es in das Geflecht aus Inseln und Wasser unter Rotterdam. Es war kalt, es war nass, es war dunkel und der Twizy war auf einer der Inseln alle. Die Motivation sank, um beim Sonnenaufgang zu erblühen.

    Beim Wertfbetrieb hinterm Deich konnten wir aufladen, fanden im Ort einen Segelhafen mit öffentlicher Dusche und einen Supermarkt, in dem es wunderbar frisch gepressten Orangensaft gab.


    Belgien
    In Belgien hieß es nur kurz Welkom!,

    während wir an einem Supermarkt in real-Format aufluden.
    In Oostende gings dann auf die Fähre nach Ramsgate.

    und schon waren wir im


    Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland!
    Da ging der Spaß los! Links musste man fahren - totally strange, but much fun! Die britische Landschaft mit ihren tollen Klippen bei Ramsgate und den kleinen Straßen und Dörfern kann ich nur streifen. Wie sagt man? Ein Bild sagt mehr als tausend Worte:

    In England klappt das Aufladen übrigens mit einem Reiseadapter wunderbar! Am Scheitelpunkt der Reise gönnten wir uns dann auch mal ein "Hotel" in Canterbury. (Hatte ich erwähnt, dass wir immer im Zelt geschlafen hatten?) Die Rezeptionistin war völlig aus dem Häuschen vom Twizy, weil sie den unbedingt auch haben wollte.

    in Dover in die Fähre und ab nach


    Frankreich!
    Obwohl die Reise durch die anderen Länder ähnlich eindrucksvoll war, ist mir Frankreich am lebhaftesten im Gedächtnis geblieben. das Renault-Land, wo die Hälfte aller Autos Renaults zu sein scheint und es in jedem noch so kleinen Ort einen Renault-Betrieb zu geben scheint. Dort haben wir fast nur bei Renault aufgeladen, doch -ganz der französischen Mentalität- machen die Mittags Pause. Dadurch kamen wir wohl zur schönsten Aufladestelle. Nach "autorisation de la mairie" oder so ähnlich konnten wir am Rathaus von Sainte-Menehould aufladen.


    Aber so schnell gings dann doch nicht, vorher waren wir natürlich noch in Paris!

    stellvertretend für all die tollen Renault-Händler, bei denen wir aufgeladen haben und die uns auf dem Weg geholfen haben: ein Bild vorm Renault am Champs Elysees

    Nach vielen Nächten auf französischen Wiesen kamen wir dann -man kann es kaum glauben- wieder übers Saarland nach Deutschland. Die Nächte waren kalt geworden, zum Glück gab es bei Renault in Saarbrücken einen kostenlosen Heißgetränkeautomaten, den wir während der Ladewartezeit nutzen konnten. Wir beschlossen, auf Teufel komm raus an diesem Tag nach Würzburg zu kommen, eine weitere Nacht im Zelt wäre bei den Außentemperaturen und unserer sommerlichen Kleidung nicht lustig gewesen.


    Nach 3500 km kanem wir nach Mitternacht vollkommen durchgefroren in Würzburg wieder an. Eine heiße Dusche stellte die halb erfrorenen Gliedmaßen wieder her.
    schön wars gewesen!

    5 Mal editiert, zuletzt von peak_me ()

  • Spinner! :D Aber Respekt, dass ihr das durchgehalten habt, da habt ihr sicherlich ein paar unvergessliche Erfahrungen gesammelt.


    Wie oft musstet ihr denn fürs Tanken bezahlen? Was hat die Reise insgesamt gekostet?

  • :thumbsup:


    Ihr habt meinen vollen Respekt für diese Leistung. Hast du schonmal versucht bei Renault deinen Reisebericht vorzustellen? Ist doch ne super PR Aktion für die. Vielleicht sponsorn sie dir ja deine nächste Tour.


    Alternativ kannst du es ja mal bei den großen Deutschen Automobilzeitungen versuchen. :)

  • Danke für den Bericht.


    Jetzt aber mal ehrlich: wo ist da der Fortschritt???


    So stell ich mir auch das Verreisen vor 200 Jahren vor. Nur musste man da halt Wasser & Hafer fürs Pferd finden.


    Die Zukunft kann das zumindest in der Form ja nicht sein.

  • Zitat

    Spinner! :D Aber Respekt, dass ihr das durchgehalten habt, da habt ihr sicherlich ein paar unvergessliche Erfahrungen gesammelt.

    Ja, man erlebt alles anders als in einem normalen Auto. Es gibt keine Fenster und kein lautes Motorengeräusch. Wenn ein Windstoß von der Wiese neben der Straße Heu rüberbläst, hört und fühlt man das. Weil es einfach vorm Gesicht durchs Auto durchfliegt.
    Und während der Ladepausen ist man ja immer an den Boden genagelt und hat drei Stunden Zeit, die Umgebung zu erkunden.

    Hinter Verdun haben wir beim "Aero-Club Robert Thiery" während des Ladens sogar eine Flugshow bekommen. Mit dem Baguette in der Wiese zu liegen und den Flugzeugen bei Loopings zuzuschauen, war schön.


    Zitat

    Wie oft musstet ihr denn fürs Tanken bezahlen?

    Ich glaub fast nie. Vielleicht wollte irgendwer mal 2 € oder so haben. Ah! Einmal bei den Stadtwerken in Lutherstadt Wittenberg musste ich glaub 1,80 € für den Strom zahlen :D Aber mehr als 10 € hab ich bestimmt insgesamt nicht bezahlt.


    Zitat

    Was hat die Reise insgesamt gekostet?

    Essen, je etwa 70 € für die Fähre Ramsgate-Oostende und Dover-Calais, einmal das "Hotel" in Canterbury... sonst sind mir keine Kosten bekannt

  • Haha einfach nur verrückt. :)


    Ich finde die Idee einer Europarundreise super, auch wenn ich das mit einem Fahrzeug machen würde, dass man an jeder Tankstelle betanken kann. Achja und Zelten ist auch nicht für mich... ;)


    Wieviel Kilometer hat der Twizzy jetzt eigentlich gelaufen?

  • Jetzt aber mal ehrlich: wo ist da der Fortschritt???


    So stell ich mir auch das Verreisen vor 200 Jahren vor. Nur musste man da halt Wasser & Hafer fürs Pferd finden.


    Naja, der Fortschritt ist halt, dass kein Milliliter Sprit getankt wurde. Das die Reichweite heutiger Elektrofahrzeuge ein Problem ist, dürfte jedem klar sein aber wenn man sich die Spritverbräuche konventioneller Verbrennungsmotoren-PKW von vor 50 Jahren anschaut. Mal schauen wie weit Elektrofahrzeuge in 50 Jahren sind... ;)


    Vielen Dank Peak_Me für deinen tollen Bericht! In den besuchten Ländern bin ich auch immer wieder sehr gerne! :)

  • Genial, einfach nur Genial!! Jetzt noch etwas mehr Reichweite und alles ist perfekt!


    Aber ich denke gerade die knappen 80km Reichweite vom Twizzy machten diese Reise so interessant! Von Fahrradtouren kennt man das ja nicht anders, das man nur 75km am Tag vorwärts kommt. 150km am Tag erweitert ja den Horizont :-D Herlich, ich will auch!

  • Zitat

    Ihr habt meinen vollen Respekt für diese Leistung. Hast du schonmal versucht bei Renault deinen Reisebericht vorzustellen? Ist doch ne super PR Aktion für die. Vielleicht sponsorn sie dir ja deine nächste Tour.

    Vor ein paar Tagen kam mir die Idee für eine neue Tour. nach Norwegen oder so :D
    Durch die aufkeimende Euphorie wurde ich plötzlich auch zu dem Bericht hier motiviert, den ich ja schon seit Ewigkeiten "vor mir herschiebe". Ich hab auch schon überlegt, ob ich mich wegen der nächsten Reise an Renault wenden soll. Aber was sollen die sponsorn? Es gibt ja nahezu keine Kosten :)


    Zitat

    Jetzt aber mal ehrlich: wo ist da der Fortschritt???

    Die Reise hat keinen Anspruch, den Fortschritt elektrischer Fahrzeuge vorzustellen. Der Twizy ist für die Stadt und ganz sicher nicht für eine Europareise konzipiert. Unsere Reise war eine Abenteuerreise. Wir machen auch Fahrradtouren (vor ein paar Jahren zB von Luxembourg nach Paris) und das war quasi eine Fahrradtour extended. Kurze Strecken, abseits der großen Straßen, im Zelt schalfen und schauen, was passiert.
    Nach der Reise hab ich mir gedacht: Eigentlich kommste mit 15 € am Tag locker aus. Spar 2000 €, schnapp dir den Twizy und fahr einfach immer geradeaus. 2000 € würden für ein paar Monate und geschätzt bis nach China reichen.
    Wenn man genug Zeit hat, ist die Reisegeschwindigkeit nebensächlich.


    Zitat

    Wieviel Kilometer hat der Twizzy jetzt eigentlich gelaufen?

    8600 km jetzt und ich bin schon gespannt, was der Tageskilometerzähler macht, wenn er über 9999.9 km kommt. Den hab ich nämlich nie zurückgesetzt.

  • Das habe ich vergessen: Großes Danke für den Bericht!


    Ich würde mich auch mal an Renault wenden, da gibt's sicherlich Anerkennung und vielleicht ein bisschen mehr! :)

  • Was da mit einer gescheiten Kamera/Fotografen möglich gewesen wäre :8o:


    Klasse Aktion. In mir steckt ja auch so ein kleiner Romantiker, auch wenn die Nummer mir persönlich zu krass wäre.


    Bei AutoBild ist ganz sicher etwas Honorar drin, wenn man schöne Bilder aussucht. Hätte man sich im Vorfeld an eine Zeitschrift oder Hersteller und richtigen Ansprechpartner gewendet, wäre einiges möglich gewesen.

  • Vielen Dank für den grandiosen Bericht! Verrückt ist das ganze ja schon ein bisschen, aber wenn man sowas nicht macht, solange man jung ist, wird man sich später wahrscheinlich immer ärgern, die Chance dazu vertan zu haben. Von daher auch: Chapeau! Und ganz ehrlich: Wenn ich bei einer Autozeitung was zu sagen hätte, wäre das aber locker nen Bericht wert. Und auch Renault hat doch sicher so ein eigenes Magazin, dass Renault-Kunden erhalten. Ich meine, eine bessere Werbung für den Twizy gibt es doch aus deren Sicht wohl kaum.

  • Klasse Bericht, auch wenn du echt ein Rad ab hast (net böse gemeint!) :D
    Ich habe mir bislang noch keinen Twizzy von Innen angesehen, aber wo habt ihr Bitte Zelt etc. verstaut? Oder hast du deine Beifahrerin zugebaut? :)


    Lg und Danke für den Bericht


    Basti