HERTZstillstand.
Oder wie es ist, eines von 2000 Fahrzeugen zu fahren.
Doch der Reihe nach.
Es ist Donnerstag. Ein neues Hertz-Weekend steht an. Diesmal ohne Mail und ohne geblocktes Fahrzeug. "Hmm" denke ich mir, sehe aber keinen Anlass mir darüber Gedanken zu machen. Angekommen an der Station werde ich verwundert willkommen geheißen. Mein Abo wurde nicht verlängert. Kann man aber auch nichts machen, weil es alles extern laufe. Tja, was will man machen? Ich versuche also den zuständigen Mitarbeiter zu erreichen. Über zwei Versuche mit der Kundenhotline funktioniert das sogar. Man kennt sich. Es fallen Sätze wie:" Ach, der Kollege hat mich schon informiert" und "Haben wir nicht vor einem halben Jahr schonmal telefoniert?". Es ist HERTZlich familiär, sodass ich die Wartezeit und die Gebühr der Hotline fast schon gerührt verdränge. Dann geht alles ganz schnell, und das Abo ist reaktiviert. Fehlt nur noch ein Auto. Insgeheim hoffte ich auf meinen gelben 208 der letzten Woche (Bericht)...
Aber es kam wie erwartet anders. Einen derartigen Cocktail aus gegensätzlichen Emotionen habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Da liegen Erhabenheit und Demut, Langeweile und Spaß, Komfort und Unbehaglichkeit so nah beieinander wie in kaum einen anderen Fahrzeug. Und ich rede hier nur von der Fahrt vom Flughafen nach Hause.
Einige werden bereits jetzt wissen um welche automobilgeworde Ästhetik es sich hier handelt. Genau! Ein formschöner Toyota Swace. Sorry. Suzuki Corolla. Am Ende auch egal, irgendwas aus Japan jedenfalls.
Ich weiß was ihr jetzt denkt. Suzuki? Das war doch die Automarke die als "Swift" immer hinter Tor 2 stand bei "Geh auf's Ganze", wenn man sich nicht für Tor 1 oder den blauen Briefumschlag entschieden hat, und am Ende doch bloß die Reise ins 2 Sterne Hotel nach Wanne-Eickel gewonnen hat, wenn nicht sogar den Zonk? Wobei...was war Preis und was war Zonk? Nicht immer leicht zu unterscheiden. Auch nicht in diesem Fall. Aber tretet ruhig näher...
Wer sich bisher immer vor Konfigurationen gefürchtet hat, kann beim Swace absolut entspannt sein. Es gab wohl Mal zwei Versionen, mittlerweile gibt es nur noch eine, in der quasi alles vorgegeben ist bis auf die Farbe.
Wer also seit Kindheitstagen Panik bei Entscheidungsfindungen schiebt: Voilà. Der Swace schafft Entspannung! Nur nicht im Portemonnaie. Das wird nämlich um sage und schreibe 32.000 Euro leichter. Einziges aufpreispflichtiges Extra: Das kecke "Phantom-Brown-Metallic". Die 16"-Alu's gibt's auf's Haus.
Ebenso wie eine tatsächlich ansehnliche Ausstattungsliste mit zahlreichen Assistenten, die ein eigenes Handbuch mit Abkürzungsverzeichnis besitzen sollten.
Unter all den Buchstaben trumpft der Swace u.a. mit folgendem auf:
- ACC
- Spurhalteassistent (adaptiv)
- RFK
- LED-SW (ansonsten alles Halogen)
- Induktive Ladeschale
- Touchscreen
- Halbdigitales Tachometer
- Apple Carplay/Android Auto
- Lenkradheizung und zweistufige Sitzheizung
- FLA
- Privacy Verglasung
- Totwinkelwarner
- Einparkassistent
Der gesamte Innenraum ist in meinen Augen ganz passabel, allerdings deutlich zu überladen mit Schaltern. Eigentlich gibt es für fast alles einen Schalter bzw. Knopf.
Sogar für das NICHT verbaute Navigationssystem. Beim Blick auf die Assistenzleiste schwälgt man dadurch aber fast ein bisschen in S-Klassen-Erinnerungen.
Ansonsten gibt es wahnsinnig viel Hartplaste. Zwischendurch aber auch hier und da etwas wertigeren Kunststoff bzw. aufgeschäumte Kunstlederapplikationen.
Unter der Haube des Vollhybriden werkelt ein 1.8 Liter Benziner mit 98PS, ergänzt vom 72PS starken Elektromotor. In Kombination mit dem stufenlosen Automatikgetriebe kann sich nach den ersten 100km der Verbrauch aber sehen lassen.
Ebenso beachtlich ist das Platzangebot. Als kompakter Kombi mit 4,65 Länge ist auf allen Plätzen ausreichend Beinfreiheit vorhanden.
Auch wenn es hinten natürlich etwas enger zugeht. Die Stoffsitze wirken erstmal grundsolide. Wie das nach ein paar tausend Kilometern mehr aussieht möchte ich eigentlich gar nicht wissen ?
Auch der Kofferraum bietet dank doppeltem Ladeboden ordentlich Stauraum für Gepäck usw.
Die Rundumsicht ist ebenfalls ganz akzeptabel, mit Hilfe der RFK (Auflösung aus dem letzten Jahrhundert) und dem Einparkassistenten kommt man stressfrei in jede Lücke.
Für die Stadt und Überland finde ich das Fahrwerk und die Fortbewegung eigentlich ganz annehmbar. Für die Langstrecke ist der Motor und der Antriebsstrang aber eher ungeeignet. Das Fahrwerk ist angenehm stimmig, aber irgendwas klappert irgendwo eigentlich immer. Auch die Geräuschkulisse im Innenraum ist deutlich zu laut, und das bereits ab Landstraßentempo.
Für eine einmalige Erfahrung kann man den Swace sicher empfehlen. Ansonsten wüsste ich nicht für wen das Auto wirklich nützlich sein sollte, zumal es mit Mazda für den Preis auch schickere Konkurrenten aus dem eigenen Land gibt. Der einzige Mehrwert ist wohl die Rarität. Gerade einmal 2000 Neuzulassungen gab es hierzulande 2020/21. Davon sind wahrscheinlich noch 500 an Hertz gegangen. In manchen limitierten Lamborghini's hat man vielleicht ein ähnliches Gefühl. Ich bilde es mir jedenfalls ein um es erträglicher zu machen Wobei er von den richtigen Stellen aus beobachtet gar keine schlechte Figur macht.
Heute kam dann auch die Mail mit den restlichen Mieten, in der man sich nochmals entschuldigte. Und zwar ohne Textbausteine. Mit Hand getippt Es kommt von Hertzen. Und damit genug der schlechten Wortspiele und allseits gute Fahrt für's Wochenende. Cheers...