Frische Fahrt
~ Joseph von Freiherr von Eichendorff ~
"Laue Luft kommt blau geflossen, Frühling, Frühling soll es sein!"
Sagen wir es so: Der Frühling ist vorbei, der Sommer auch. Und trotzdem kennen wir es. Dieses Verlangen nach einem zweiten oder sogar dritten Frühling. In meinem Fall war der Zweite der M2 Competition, der Dritte und vorerst letzte in diesem Jahr nun ein formvollendetes Coupé (C238) mit 435 PS aus einem klangvollen R6-Motor. Eigentlich sollte es ein Wochenende den stärkeren Bruder als E63S in Limousinenform geben, aber leider wurde das Fahrzeug kurz vor Mietbeginn verkauft, sodass ich vor der Wahl stand: E63S T-Modell oder E53 Coupé. Da ich einen starken Kombi Dank BeMine in Form des RS6 bereits im letzten Jahr fahren durfte, entschied ich mich für die etwas günstigere Variante. Und trotz der fehlenden Zylinder und PS, hat mich das Coupé so enorm gefesselt, dass ich es keine Sekunde bereut habe. Diese Linien, diese Signaturen, diese...ich könnte jetzt noch ewig weiter schreiben, aber wenn wir ehrlich sind, wurde zur E-Klasse schon so gut wie alles gesagt. Rohdaten, technische Informationen und Merkmale würde ich nur von Wikipedia abtippen. Glücklicherweise hat ein wunderbarer Romantiker bereits, ohne zu wissen, dass es dieses Fahrzeug jemals geben wird, die passenden Zeilen geschrieben, die ich nur mit ein paar (visuellen) Ergänzungen ausschmücken werde.
"Waldwärts Hörnerklang geschossen, mut'ger Augen lichter Schein."
Steht die Motorkonfiguration auf "Moderat", brummelt der 6 Zylinder ganz vornehm, fast zurückhaltend und laufruhig. Das Abrollgeräusch der Reifen würde ein Eichhörnchen, dass gerade seine Nüsse an einem geschützten Versteck unterbringen möchte, vielleicht kurz die Nase runzeln lassen. Erschrecken wird man im Comfortmodus niemanden. Im Gegenteil. Es ist ein ganz ähnlicher Komfort, wie man ihn von der E-Klasse gewohnt ist. Unebenheiten werden fein ausgebügelt, die Lenkung ist präzise, lässt aber genügend Spiel um jeglichen Versuch von Kurvenräubern zu unterbinden, die 9-Stufenautomatik schaltet wie gewohnt butterweich durch die einzelnen Gänge. Nur zwei kurze Bewegungen an den Drehreglern des Lenkrades und plötzlich verstummt der AMG, bevor er, obgleich durch das armselige Standardsoundsystem im Innenraum verstärkt, beginnt sanft zu brüllen und bei linearer Vorwärtsbewegung des Gaspedals in Richtung Boden laut aufhallt um der Umgebung in einem Umkreis von 500 Metern zu sagen: "Du hast mich vielleicht noch nicht bemerkt, aber ich bin da, und zwar mit Ansage!".
"Und das Wirren bunt und bunter, wird ein magisch wilder Fluss. In die schöne Welt hinunter lockt dich dieses Stromes Gruß."
Die 4Matic+ ist über jeden Zweifel erhaben und bewegen die knapp zwei Tonnen Leergewicht dank ausreichend Vortrieb in 4,4 Sekunden von 0 auf 100. Einige würden sich bei diesen Zahlen nebenbei einen Tee einschenken und in Ruhe das Feuilleton der F.A.Z lesen, oder zumindest den Sportteil der BILD. Wer aber aus dem Hertz-Abo kommt, der weiß was es heißt, geerdet zu sein. Und dann reichen 4,4 Sekunden aus um die Frühlingsgefühle hochfahren zu lassen. Zu keinem Zeitpunkt, auch nicht bei der abgeriegelten Höchstgeschwindigkeit, fühlt es sich schwammig oder unsicher an. Im Sport+ Modus ist das adaptive Fahrwerk straff, die Gänge werden unter Volllast quasi hineingeprügelt und der AMG hört sich an als hätte er beim letzten Tankstopp pürierte Hülsenfrüchte getrunken.
"Und ich mag mich nicht bewahren! Weit von euch treibt mich der Wind"
Ist hier wirklich noch jemand überrascht vom Innenraum? Dank der großen Screens die in meinem Fall spendiert wurden, in Kombination mit den (oft nervendem) 4-Speichen-Touch-Lenkrad schaut es aus, wie es in einem Benz ausschaut. Die Dekorleisten sind für mich zwar zwingend in Esche offenporig zu bestellen, aber gut, man kann nicht alles haben. So fehlte mir die Distronic und die vollelektrische Sitzeinstellung ebenso wie ein verschnörkeltes Burmester auf den Lautsprechern. Die Basisvariante ist, gelinde gesagt, unwürdig. Gut dass ich bei solchen Mieten so gut wie nie Musik höre, sondern lieber dem sonoren Motorgeräuschen lausche. Glücklicherweise fallen einem dann dennoch kleine Details auf, die einfach hübsch anzusehen sind. Und damit meine ich ausdrücklich NICHT die roten Gurte. Die sind fast so peinlich wie die Fake-Auspuffrohre. Aber gut. Man mag sich abheben. Von mir aus.
"Auf dem Strome will ich fahren, von dem Ganzen selig blind."
Egal ob Tag oder Nacht, das Coupé macht dank der Scheinwerfer und deren Signatur von vorn und hinten stets einen elegant-sportlichen Eindruck. Überholprestige ist nicht garantiert, aber sehr wahrscheinlich. Ausreichend hell und gut ausgeleuchtet ist es folglich auch in nächtlicher Umgebung angenehm zu fahren. Innen dann die wohlfühlfarbe des Ambientelichts eingestellt, die auf Wunsch auch Clubfeeling verspricht, lässt es sich unaufgeregt gleiten oder auf Wunsch mit Gebrüll durch die Kurven jagen wie auf Schienen. Das nimmt zuweilen zwar etwas Spaß und man merkt oft wie das ESP die Leistung herunterregelt bevor es überhaupt nur annähernd riskant wird, im ESP-Sport-Modus wird das Ganze dann aber schon etwas interessanter. Interessant ist auch das Platzangebot im Fond, dass sich durchaus sehen lassen kann. Ebenso der doch recht voluminöse Kofferraum, den ich aber nur kurzzeitig nutzte.
"Tausend Stimmen lockend schlagen. Hoch Aurora flammend weht. Fahre zu! Ich mag nicht fragen, wo die Fahrt zu Ende geht!"
Für mich war nach einem viel zu kurzen Wochenende der kurze Frühling wieder vorbei. Nach knapp 500 Kilometern stand ein Verbrauch von 16 Litern/100km zu buche. Die wurden sich allerdings auch redlich verdient. Die Abgabe verlief, wie auch die Übernahme (ganz ohne Vorschäden) wie von MB-Rent gewohnt, äußerst freundlich und unkompliziert ab. Daher vielen Dank an MB-Rent Dresden, die momentan mit einer enorm gut aufgestellten AMG-Flotte auffahren können. Wie könnte ich nun besser abschließen als mit Heine...für mehr Lyrik im MWT 
