Der etwas andere Privatwagen | Leben auf 7m²

  • Im April 2021 habe ich euch meinen damaligen Privatwagen vorgestellt: Einen L1H1 Crafter als DIY Camper. Den Camper habe ich damals mit meiner Freundin während unseren Semesterferien in knapp 4 Wochen für 6.000€ ausgebaut. Eine größere Schwedenreise und ein paar Monate später folgte dann die 213%-ige Wertsteigerung und das Auto wechselte seinen Eigentümer. Geplant war der Verkauf fast von Anfang an - wir wollten mehr Budget für ein größeres Projekt haben:


    WhatsApp Bild 2023-12-06 um 15.55.35_4e62dc50.jpgNach knapp 4 Monate intensiver Suche & häufiger Frustration, dass gute Inserate keine halbe Stunde nach Onlinestellung schon wieder verkauft waren kam dann irgendwann dieses Schmuckstück mit seinen 56.000 km auf den Markt - und dieses Mal konnte ich im Sommer 2021 einer derjenigen sein, der innerhalb einer halben Stunde ein Auto gekauft hatte.


    Der Plan für das Auto sah vor, sich beim Ausbau mehr Zeit zu lassen und statt 4 Wochen 2,5 Monate am Stück auszubauen. Diesesmal mit professionellerem Werkzeug, genauen Plänen & Skizzen sowie hochwertigeren Materialien. Nach nun über 2 Jahren Bauzeit kann ich über den anfänglichen Zeitplan nur lachen.


    Auch hier haben wir uns recht früh beim Ausbau schon unsere Gedanken gemacht, was der Plan für das Auto ist. Ich sah zwar auch hier wieder eine Geldanlage, wollte das Auto aber mindestens zwei Jahre behalten, bevor das nächste Projekt gekommen wäre. Recht schnell tat sich dann aber die Idee auf nach abgeschlossenem Studium in den Bus zu ziehen und ein Jährchen durch Europa zu reisen. Also haben wir uns beim Ausbau darauf konzentriert, den Innenraum so zu gestalten, dass man zu zweit gut auf 7m² wohnen und leben kann.

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    Der Ausbau und seine Kosten

    1. Zulassung, Gasprüfung & TÜV: 213€

    Genau wie beim letzten Van mussten wir hier aufgrund des enormen Gestaltungsfreiraum der TÜV-Prüfer bei verschiedenen Prüfern vorstellig werden. Wir sind aber immer während dem Ausbau beim TÜV vorbeigefahren um abzusprechen, auf welche Punkte der Prüfer genau schaut, was ihm wichtig ist und evtl. auch seine Red-Flag wäre, damit er den Ausbau nicht abnimmt. Long Story Short: Wir haben über die Zeit insgesamt 7 verschiedene Prüfer kennengelernt. Der eine sieht das Risiko von splitterndem Holz im Falle eines Unfalls als zu hoch, wir müssten also alle Holzoberflächen bekleben - der nächste möchte den Lichtschalter für die Lightbar (Arbeitsscheinwerfer) nicht im Fahrerbereich haben sondern im Wohnbereich, der andere will für die Ummeldung knapp 900€ haben, obwohl die Gebühren bei 150-200 Euro liegen - und so weiter. Alleine von TÜV Storys könnte ich Stundenlang erzählen.


    Grundsätzliche Voraussetzungen für die Abnahme zum So.Kfz Wohnmobil: Bett, Staumöglichkeiten, Sitzmöglichkeiten & Tisch, fest verbaute Kochmöglichkeit und es muss wohnlich aussehen. Klingt erstmal also nach keinem großen Aufwand - spart am Ende aber aber knapp 50% der Versicherungskosten, als wenn die Kiste als LKW angemeldet ist.

    2. Versandkosten: 237€

    Fallen tatsächlich relativ gering aus. Dank Prime oder Mindestbestellwerten konnten wir in 90% der Fälle von kostenloser Lieferung profitieren.

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    3. Dämmung: 381€

    19mm Dämmung an Wänden und Boden, sowie 30mm Dämmung an der Decke sorgen dafür, dass die Blechkiste in fast allen Fällen gut temperiert ist. Bisher hatten wir nichts krasseres als -11°C, mit Standheizung auf halber Leistung kamen wir im inneren aber auf entspannte 23°C. Gut investiertes Geld also.

    4. Sonstiges: 568€

    Coole Sitzbezüge, eine Trockentrenntoilette für den Notfall und mehrere Kleinteile summieren sich auf diese Summe.

    5. Dachträger: 599€

    Am Anfang des Ausbaus hat jeder drei Punkte aufgeschrieben, die der Camper definitiv bekommen muss und die andere Person auch nicht anfechten kann. Bei mir waren zwei der drei Punkte ein Dachträger sowie die Dachterasse. Spoiler: Letztere hat es aufgrund des Gewichts noch nicht geschafft.

    Den Dachträger haben wir aus Aluprofilen selbst gebaut und dort aktuell die Solarpanel drauf befestigt. Zudem hängen an ihm die Lightbar, Rückstrahler und einige Befestigungspunkte falls doch mal Sachen wir Surfboards o.ä. einziehen sollten. Ein fertiger Dachträger auf die Busgröße hätte übrigens knapp 2-3 Tausend Euro gekostet.


    6. Fenster: 1.071€

    Dadurch dass an allen Seiten bereits originale Fenster vorhanden waren, hatten Campingfenster keinen Platz mehr. Für den Durchzug sorgen dafür dann zwei Dachfenster. Die 95%-ige Scheibentönung sorgt dafür, dass es von außen tatsächlich nicht möglich ist ins innere zu schauen, sofern innen kein Licht brennt. Die Hälfte der Kosten entfallen aber auf Thermoscheibenmatten um den Wärme-/Kälteverlust an den großen Stellen reduzieren zu können.

    7. Werkzeug: 1.129€

    Für den Ausbau haben wir uns viel Akkuwerkzeug zugelegt - während dem Ausbau aber auch immer wieder neue Schleifblätter, Bohrer und andere Verbrauchsgüter benötigt.

    IMG_8425-min.jpg8. Verkleidung, Boden, Trennwand: 1.609€

    Unterkonstruktionsleisten, Vinyl, Holz, Filz, Stoff für Vorhänge und getrocknetes Echtmoos für unsere Pflanzenwand. Klingt nach wenig, summiert sich dann aber doch recht schnell auf die Länge.

    9. Sonderausstattung: 2.055€

    Schwarzer Raptor-Schutzlack war mein dritter Must-Have Punkt. Sieht cool aus und schützt den Autolack bei Fahrten durch den Wald. Tatsächlich sind uns Nachbarn 2x ins Auto gefahren, dank Raptor gab es bei uns keinen Schaden. Die anderen Autos hat es dafür schlimm erwischt. Tempomat (jo, auch den selbst eingebaut und Lenkrad inkl. Airbag ein- und ausgebaut), Standheizung, App kompatibles Radio, Lightbar (Möchte ich nicht mehr missen: Ideal für dunkle Walddurchfahrten oder um der Lichthupe stärkeren Nachdruck zu verleihen) und unsere Dashcam zählen wohl zu den Sonderausstattungen, die in keiner anderen Kategorie so richtig Platz gefunden haben.

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    10. Küche: 2.301€

    64l Frischwassertank und der unterflur verbaute 30l große Abwassertank sorgen dafür, dass wir in der Regel 4-5 Tage ohne externe Wasserquelle auskommen. Dank guten Wasserfiltern ließe sich theoretisch sogar das Wasser aus der Elbe im Hamburger Hafen in Trinkwasser verwandeln - wir beschränken uns meistens aber auf irgendwelche Wasserhähe mit der Aufschrift "Kein Trinkwasser". Klappt super! Diverse Tank- und Gasanzeigen, ein gutes 2-flammiges Gaskochfeld, 36l großen Kühlschrank, das Keramikspülbecken sowie der ausziehbare Wasserhahn kommen mit Kleinkram auf etwas über 2k.

    11. Elektrik: 4.176€

    Um hier drin Vollzeit wohnen zu können ist ein gutes Stromkonzept essenziell. Die 300Ah Lithium Batterie sorgt für einen ausreichend großen Strompuffer, wenn Solarzellen oder Ladebooster während der Fahrt mal zu wenig Saft liefern. Eine Außensteckdose gibt es tatsächlich nicht - wir stehen einfach nie auf Campingplätzen sondern immer in der freien Natur. Und da gibt es schließlich keine Steckdosen ;) Wir haben sonst viel mit einzeln ansteurbaren Lichtquellen gearbeitet und viel indirektes Licht verbaut. Unzählige 230V und 12V Steckdosen sorgen dann mit entsprechenden Kabeln dafür, dass der Elektrikposten unser zweitteuerster wurde.

    12. Möbel: 4.389€

    Gewicht sparen, stabil & hübsch bauen. Eigentlich drei Gegensätze. Wir haben eine für uns recht clevere Lösung gefunden und alle Möbel per Unterkonstruktion stabil gebaut und diese dann mit leichtem und 10mm dünnen Pappelsperrholz verkleidet. Das 140x200 Bett liegt tatsächlich ausschließlich auf 3 IKEA Mittelbettbalken auf. Der teuerste Punkt der Kategorie ist aber wohl die maßgefertigte Matratze für etwas über 500€, tatsächlich ist der Rest sonst einfach in Holz, Schrauben, Schubladenschinen und co geflossen. Also keine extrem teuren Einzelposten.

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    Too long didn't read:


    Zulassung, Gasprüfung, TÜV
    213 €
    Versandkosten237 €
    Dämmung381 €
    Sonstiges568 €
    Dachträger599 €
    Fenster1.071 €
    Werkzeug1.129 €
    Verkleidung, Boden, Trennwand
    1.609 €
    Sonderausstattung2.055 €
    Küche2.301 €
    Elektrik4.176 €
    Möbel4.389 €
    GESAMTKOSTEN
    18.726 €


    Verkauft und nächstes Projekt?

    Der C/CE-Führerschein ist gemacht, so ein schöner 18 Tonner Offroader von MAN wäre jetzt das, was neben einem Haus in Schweden als nächstes Projekt in meinem Kopf rumschwirrt. Tatsächlich wird der aufmerksame Leser es aber schon rausgelesen haben: Wir sind Ende Oktober in den Van eingezogen und leben mit unserem Hund vollzeit auf 7m² - gerade bei 20°C in Spanien am Meer. Ursprünglich geplant als Jahresreise peilen wir aktuell eher 4 Jahre an. Wir arbeiten beide bei deutschen Arbeitgebern in 60% Stellen - und haben somit 4 Tage/Woche komplett zu unserer freien Verfügung.


    Der grobe Reiseplan soll sein bis ~März Spanien, Portugal und dann wieder Frankreich mitzunehmen. Wir wollen dann ein Jahr in Skandinavien verbringen, inkl. des Winters und dann über die Ukraine alle Ostblockländer bereisen. Über die Türkei soll es dann bis nach Georgien gehen. Wir hängen aber gerade an der Entscheidung das alles ein bisschen über den Haufen zu werfen und über Gibraltar nach Marokko einzureisen. Falls da also jemand Empfehlungen hat immer her damit :)

    Was kostet Vollzeit-Vanlife?

    Gugst du hier: https://wildlebender.de/das-ko…-vanlife-frankreich-2023/

    Das hier nochmal aufzudröseln würde den Rahmen sprengen.


    Für mehr Eindrücke der Reise oder vom Ausbau könnt ihr gerne überall wo es Medien gibt unter @wildlebender reinschauen. Instagram & YouTube sind da aber wahrscheinlich so die spannensten:

    https://www.instagram.com/wildlebender

    https://www.youtube.com/channel/UC6Ib9pfbWjne42OgnBl3sUA


    Bilder

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    2 Mal editiert, zuletzt von antonneu ()

  • Wahnsinn! Das Teil habt ihr innen so unfassbar gut und schön ausgebaut, dass ich ihn an deiner Stelle auch niemals mehr verkaufen könnte.

    Wirklich ganz großes Kino, richtig tolle Arbeit! :)

    Offenbar scheint ihr beide auch außergewöhnlich hervorragend zu harmonieren, denn anders kann man wohl so eine lange Zeit nicht gemeinsam auf so wenig Platz leben. ^^


    Das dauerhafte Arbeiten aus dem Ausland für euren deutschen AG verläuft vermutlich "inoffiziell", oder? Zumindest bei uns im Unternehmen haben wir noch keinen Weg gefunden das dauerhaft rechts sicher zu gestalten.


    Vielen Dank für deinen Bericht, habe für dich sogar eine Ausnahme gemacht und auf deinen Instagram Link geklickt, sieht auch super aus!

  • Danke für die super lieben Worte TALENTfrei <3


    Wir haben uns vor zig Jahren in Neuseeland kennengelernt und da ein halbes Jahr in einem Toyota Estima gelebt - vergleichbar können wir uns hier super gut aus dem Weg gehen^^


    Die Arbeitgeber wissen tatsächlich davon, unterstützen das und sind regelmäßig neidisch auf die 'echten' Bildschirmhintergründe. Meine Freundin ist in einem Mittelständigen Unternehmen angestellt, da hat Legal, IT & GF nach Prüfung das Ganze für ok befunden. Ich bin in einem Startup, ob da das Ganze einer rechtlichen Prüfung unterzogen wurde wage ich zu bezweifeln. Aber sofern der AG sein ok dazu gibt soll es mir recht sein.

  • genial, ist zwar so ganz und gar nicht meine Art, weder könnte ich handwerklich auch nur ansatzweise derartiges umsetzen, noch möchte ich länger als 1-2 Nächte außerhalb eines „echten“ Betts freiwillig schlafen. Aber die Arbeit, das Ergebnis und eure Faszination sind bewundernswert!