Mercedes-Benz S500L - die Speerspitze deutschen Automobilbaus
Exterieur
Eigentlich könnte ich dieses Kapitel mit einem "Zeitlos." füllen und hätte alles gesagt. Viele glatte Flächen, dezente Beleuchtung, wenig, aber stilvolles Chrom.
Selbst dem größten Mercedes-Nerd fällt es ab und zu schwer, die verschiedenen Limousinen C, E und S auseinanderzuhalten. Selbst ich bin schon an einer S-Klasse vorbeigegangen, und musste nochmal umdrehen um mit einem prüfenden Blick auf die Front wirklich sicher zu sein. Über Sinn oder Unsinn dieser Taktik wurde schon lang und breit diskutieren, für mich hat es den Vorteil, dass man in der S-Klasse wirklich nicht auffällt.
Ich persönlich finde die S-Klasse gerade im Vergleich zum A8 wohltuend dezent. Natürlich ist es modern und futuristisch, was Audi mit den OLED-Rückleuchten abzieht - zumal mir als Beleuchtungs-Fetischist auch wirklich einer abgeht.
Andererseits, ganz rational, muss man schon hinterfragen wie das nach einer gewissen Zeit aussehen wird. Und ich denke da ist der Stardust der S-Klasse im Vorteil. Womit wir wieder im einleitenden Adjektiv wären, "zeitlos".
Was man vielleicht noch um "Eleganz" erweitern kann.
Denn gerade in der Silhouette zeigt sich gerade diese Eleganz wieder. Ich finde gerade im Vergleich zum 7er G11 ist die lange Hintertür deutlich dezenter ins Gesamtbild eingefügt. Ja, durch die früher abfallende Linie muss man gerade als größerer Mensch den Kopf etwas stärker einziehen, aber dafür entschädigt dann das
Interieur
Das in "Leder exclusive" ist sehr angenehm, nimmt die Wärme/Kühle aus der Sitzheizung/-lüftung sehr schnell auf. Die Kontrastnaht harmoniert sehr schön mit der dunklen Umgebung und die adaptiven Multikontursitze (vorne & hinten) mit Massagefunktion (vorne) sind so bequem und entspannend, dass ich damit ohne Probleme bis an den Nordkap fahren würde.
Man merkt an jeder Ecke, dass die nächste Evolutionsstufe an Haptik und Verarbeitungsqualität erst ab Rolls Royce & Co. erreicht wird, alles fasst sich entsprechend an.
Alles fasst sich Premium an? Nein, da gibt es kein kleines, störrisches Dorf voller gedopter Gallier, aber einige Tasten und Lösungen, bei denen ich es fraglich finde, ob sie einem >100.000€ Auto angemessen sind.
Die Tasten, die in der Mittelkonsole metallisch aussehen, sind Plastik, entsprechend leicht, entsprechend beweglich in der Halterung. Was ich von schwarz-glänzendem "Klavierlack" halte, ist auch bekannt, entsprechender Fan bin ich von den restlichen Tasten. Zumal man aus der Fahrerposition keine Möglichkeit hat, die Tasten rechts vom Dreh-Touchcontroller zu sehen, und blinde Bedienung ist ob der Fülle an Funktionen erst am Ende eines langen Wochenendes möglich.
Kommen wir zum zweiten großen Kritikpunkt im Interieur: das Lenkrad. Das Leder auf sehr hohem Niveau, die Rollen und Touchflächen sind bekannt und funktionieren auch gut.
So gut ich es finde, dass die ACC-Steuerung aufs Lenkrad gewandert ist, finde ich diese gottverdammten Wippschalter mit die dümmste schlechteste Entscheidung in diesem ganzen Auto. Knapp geschlagen vom Infotainment - dazu später mehr.
Dadurch, dass die Symbole beleuchtet sind, tatscht man die ganze Zeit auf diese Symbole, merkt dass sich nichts tut, drückt frontal auf die drunterliegende Taste, ach ne, das ist ja eine Wippe. Zumal dieses Konzept mit den normalen Drucktasten in der Ebene darüber kombiniert ist. Ich kann mir nicht erklären, wie das jemand auf Papier skizziert und das die komplette Entwicklungsphase niemandem auffällt wie verwirrend das ist. Ziemlich sicher ist auch das eine Gewöhnungssache, ich habe es aber auch über ein langes Wochenende nicht geschafft.
Infotainment
Die Achillesferse der S-Klasse. Wo man es generell nicht nachvollziehen kann, dass nur A-Klasse und Sprinter MBUX bekommen haben, zeigt jedoch die E-Klasse wie auch die Comand-Reihe geschmeidig mit zwei Bildschirmen funktionieren kann.
Es mag etwas harsch klingen, aber ich finde es eine Frechheit wie in der Speerspitze des Modell-Lineups, in einem KFZ mit BLPs die vollausgestattet über 200.000€ getrieben werden kann, solch ein Infotainment verbaut werden kann.
Die Menüstruktur ist aus der E-Klasse bekannt, aber wirklich jede Eingabe wird nur spürbar verzögert umgesetzt. Von simplen Punkten wie Radiosender wechseln über "komplexere" (Achtung, Ironie) Aufgaben wie die Auswahl des Massageprogramms bis hin zur Königsdisziplin wie Wechseln des Menüpunktes (Telefon -> Radio -> Einstellungen). Bei alledem ist die Navigation noch vollkommen ausgenommen.
Höhepunkt des Lags ist aber die Sprachsteuerung. Ich fahre privat einen 4 Jahre alten Renault (Info folgt im September), und die Sprachsteuerung der W222 ist ungefähr auf dem selben Niveau. Ja, zugegeben, die Sprachkommandos sind vielfältiger, und man muss sich nicht zwingend an das Manuskript halten, aber die Verarbeitungsgeschwindigkeit und Reaktionszeit auf den Knopfdruck ist auf ähnlichem Niveau. Was. Ein. Witz.
Sehr gut ist die mittlere Burmester-Surround-Soundanlage. Ich bin jetzt nicht der Audiophile, insofern ist meine Aussage högscht laienhaft. Der Bass drückt, Höhen kommen trotzdem klar, auch bei höheren Lautstärken. Auch die Verstellung zwischen Musik und Spoken (bspw. B5 aktuell) gelingt leicht (wenn auch mit Wartezeit), die Veränderung ist deutlich zu herauszuhören.
In Ermangelung einer Fernbedienung blieben die hinteren Bildschirme meist aus.
Übrigens: ich finde die MB Headups nach wie vor besser als die von BMW (oh no he didn't ), obwohl ich zugestehen muss, dass meine letzte Berührung mit einem BMW Headup aus F**-Modellen kommt. G**-Reihe werde ich ggf. im November vergleichen können.
Großes Kino finde ich das Ambientelicht.
Fahreindruck
Ich komme noch aus einer Zeit, bei der die Kombination aus "500" und "Mercedes-Benz" für einen Motor mit 8 Zylindern stand. Diese Zeiten sind vorbei, anscheinend sind bei allen Herstellern lustige Namensänderungen en vogue. Egal ob Audi mit den dummen Zahlen + Art, wo wirklich keiner mehr durchblickt, oder BMW, die die Zahl nach der Modellreihe nun vollkommen an die Leistung koppeln und nicht mal mehr rudimentär an Hubraum, oder Mercedes, die gefühlt die Motorenbezeichnungen auswürfeln*.
Long rant short, S500 bedeutet mittlerweile Sechszylinder mit Mildhybrid-Technologie. Erst der S560 ist dann ein Achtzylinder.
All das merkt man aber beim Fahren nicht. Das Getriebe verschluckt sich ab und zu bei elektrischer Unterstützung, wobei man ja nicht weiß wie das Fahrzeug die 10k km vorher bewegt wurde.
Die Leistung reicht aber bis Geschwindigkeiten unter 160 km/h vollkommen aus. Durch die aufgezogenen Winterreifen konnte man sogar beim schnellen Beschleunigen ein Reifenquietschen entlocken, wie frevelhaft.
Auch schnelle Überholvorgänge auf der Landstraße sind sehr entspannt machbar, wenn man vorher die 9G-tronic dazu kriegt, ein paar Gänge runterzuschalten. Das muss man gerade in Comfort immer mit einkalkulieren, sonst sitzt man erstmal bei gleichbleibender Geschwindigkeit im Gegenverkehr.
Das Multibeam ist eine Klasse für sich, und hat gefühlt bei reinem Fernlicht auch einen Boostermodus, der den zentralen Bereich nochmal weiter leuchten lässt, auf nahezu abnorme Weiten.
Die Assistenten verrichten ihren Dienst mit einer derart hohen Präzision, dass man von einem Ausblick auf autonomes Fahren sprechen kann. Der selbstständige Fahrspurwechsel ist ebenso ein Highlight. Für mich ist das nochmal auf höherem Niveau als aus der E-Klasse W213, herausziehende Fahrzeuge auf der Autobahn werden bspw. zuverlässiger erkannt. Vielleicht liegt es am entspannteren Fahrstil im Dickschiff, denn technisch sind beide Baureihen gleich ausgestattet.
Bisschen hinderlich ist, dass die Hand am Lenkrad nicht dauerhaft erkannt wird und trotz beiden Händen am Lenkrad es nicht aufhört zu piepen. Erst wenn man aktiv lenkt, also gegen den Spurhalteassistenten, ist das System beruhigt. Nervig für Fahrer und Passagiere.
Interessant fand ich den Nightvision Assist Plus. Die Perspektive ist etwas anders als die der Frontkamera der 360°-Kamera und im ersten Moment irritierend. Personen werden zuverlässig erkannt, ebenso Wild, bei Hasen klappt es nicht, wie ein hoppelnder Freund im Dachauer Hinterland mit einer falschen Richtungsentscheidung erfahren musste.
In diesem Manöver konnte ich die erstaunliche Bremsleistung bewundern, die die doch über 2t schwere Fuhre aus knapp 80 km/h deutlich unter 25m zum Stehen gebracht hat, und auch das ABS konnte souverän mit zwei unterschiedlichen Fahrbahnuntergründen umgehen.
Last but not least das Luftfahrwerk. Die Spreizung zwischen Comfort mit dem wiegenden Fahrgefühl und dem fast stuckerigen Brett auf Sport & Sport+ ist beeindruckend, wenn auch wie bereits geschrieben, Sport(+) sich in diesem Fahrzeug einfach nur wie Gotteslästerung anfühlt.
Fazit
Für mich ist die S-Klasse DAS Fahrzeug der Oberklasse. Egal ob vorne links, oder hinten rechts, auf beiden Plätzen macht das Fahrzeug Spaß. Entschuldigt das so deutlich sagen zu müssen, aber für mich ist der 7er ein aufgeblasener 5er, es fehlt für mich einfach dieses Gefühl nochmal einen Sprung in der Fahrzeugklasse zu machen. Ich bin leider weder den aktuellen A8 noch den davor gefahren, insofern ist meine Einschätzung nicht vollumfänglich.
Vollkommen losgelöst von der Einschätzung muss ich zugeben dass mich dieses Fahrzeug einfach komplett weggeballert hat. Die Ausstattung war überragend, die Langversion ein Erlebnis, Multikontursitze mit Massagefunktion ein Erlebnis. Sitzheizung ist hier auch nur ein Begriff, Mittelarmlehne und Armlehne in der Türe werden ebenso beheizt. Das Fahrgefühl mit dem überraschend voluminösen Motorsound ist unerreicht, selbst bei offenem Panoramadach sitzt man entspannt und unterhält sich bei 140km/h noch bei Zimmerlautstärke. Das ist dann schon surreal.
Disclaimer
Eigentlich ist dies ein Bericht, der dem Auto nicht gerecht wird. Kein roter Faden, kein Thema, dafür ganz hübsche Bilder. Und sie sind der Grund für diesen Bericht.
Mein Kopf ist aktuell leider nicht in der Lage, einen qualitativ dazu passenden Text zu verfassen, und dafür möchte ich mich hiermit entschuldigen.
Mein letzter richtiger Bericht ist nun auch schon über ein Jahr her, insofern war es für mich persönlich mal wieder wichtig einen wirklich vollwertigen Bericht zu schreiben. Dass er so abstinkt war eigentlich nicht absehbar, aber nachdem ich nun schon ne Woche nicht auf "Absenden" klicke ist es jetzt mal an der Zeit.
* =
Richtig absurd wird es, wenn man nicht nur die Bezeichnung innerhalb einer Mercedes Modellreihe anschaut. So gibt es eine S450, die einen 6 Zylinder mit Mildhybrid-Technologie paart. Es gibt ebenso eine E450, die aber nur den Benziner beherbergt. Das zieht sich dann durch die Dieselmotoren, so teil(t)en sich A- und C-Klasse die Motoren bis 220d, die E-Klasse hatte aber bereits die neuen 4 Zylinder Diesel. Mal abgesehen davon dass die C200d unterschiedliche Leistung hat, je nachdem ob handgeschaltet oder mit 9G-tronic.
Long story short: holy moly, das ist ja verwirrender als das Produktlineup der deutschen Telekom. Mercedes ist da aber nur ein Beispiel, dem Audi in Zukunft in nichts nachstehen wird. Nur BMW ist da rudimentär besser, bspw. mit den baugleichen 20i/d-Motoren durch die Baureihen.