Mercedes-Benz S 300 L Bluetec Hybrid I Sixt

  • Das aktuelle Modell der Mercedes-Benz S-Klasse – endlich! Wir beginnen unseren lang erwarteten Test mit einem Rundgang um das Fahrzeug als plötzlich etwas Enttäuschung einsetzt. S 300 – Bluetec Hybrid klebt am Heck des Benz.



    Ein Vierzylinder-Dieselhybrid?


    Wir sind dem Gedanken “der ist doch unfahrbar!” für einen Moment sehr nah. Immerhin prallt unsere höchstdynamische Lebensart mit den Begriffen “Mercedes-Benz”, “Vierzylinder-Diesel” und “Hybrid” zusammen.


    Einmal eingestiegen fühlt sich alles anders an. Die Atmosphäre gleicht einem buddhistischen Gebetshaus nach dem Gong. Wir drehen den Schlüssel im Schloss. Nichts passiert, zumindest macht es den Anschein. Die Drehzahlnadel steht noch immer auf 0. Keinerlei Geräusch, absolute Stille.



    Steigt man sanft aufs Gaspedal, fährt die S-Klasse völlig elektrisch an. Zumindest, wenn man die abgerufene Leistung im möglichen Bereich des Elektromotors (20 kW / 27PS) hält. Insofern man nicht gewillt ist, dem 24PS Trabant mit einem ungläubig westdeutschen Abschiedsgruß hinterherzutrauern, legt man besser ein paar Gramm mehr auf’s rechte Pedal.


    Oftmals spürt man den Eingriff des Dieselaggregates nicht einmal. Der Übergang scheint außerordentlich gut gelungen. Einzig der Blick auf das Tachometer schafft Klarheit, ob man gerade mit elektrischer Unterstützung segelt, oder der Ölofen mitschwingt.


    Die Werksangabe gibt Daimler mit 4,4 Litern Diesel pro 100 km an. Im Zyklus des ADAC bewies sich der S 300 mit 5,1 Litern. Die beiden Laborwerte waren in unserem Test selbst unter nahezu verkehrsgefährdend idealisierten Bedingungen nicht zu erreichen.



    Im zarten Alltagsbetrieb und unter starker Ausnutzung des überragenden Prestigefaktors auf der Autobahn (Geschwindigkeitsbereich 160-180 km/h, wenn keine Limitierung) lagen wir oftmals zwischen acht und neun Litern. Ein Wert, der keiner Hybridtechnik bedarf und sich etwa 1 – 1,5l über dem Erwartungswert einordnet. Hier hilft auch der sehr niedrige cw-Wert von nur 0,24 nicht ausreichend. Abhilfe könnte jedoch die bereits in der E-Klasse verwendete 9G-TRONIC schaffen, denn zum Leidwesen werden in der S-Klasse aktuell nur sieben Gänge angeboten.



    Also liebe Daimler-Ingenieure: Da geht nochwas, oder?


    Die Bedienung


    Für Ungeübte scheint das Daimlersystem umständlich und komplex. Man hat das Gefühl, auch an einem Testwochenende noch nicht alle Einstellmöglichkeiten erreicht zu haben. Spätestens bei der freundlichen Bitte: “Änderst Du eben mal die Beduftung? Mir ist gerade mehr nach Lavendel.”, gibt der durchschnittliche Beifahrer auf. Derart viele Einstellmöglichkeiten sind keine schlechte Eigenschaft, müssen aber mit umso besserer Struktur einhergehen.



    Die Innovationen


    Im Gegenteil – die Möglichkeiten in der S-Klasse sind einzigartig. Beginnend bei der 360°-Ansicht, über die Flächenheizung bis hin zur parfümisierten und ionisierten Innenraumluft. Am Beispiel der Kameradichte lässt sich sehr gut zeigen, wie sich die Fahrerassistenz weiterentwickelt. Der letzte Modellwechsel der S-Klasse ist neun Jahre her. Eine Zeitspanne, in welcher bei Continental (die Assistenzsysteme werden zum Großteil outsourced) einige Projekte fertiggestellt wurden.


    Als Sonderausstattung wird in der S-Klasse die sogenannte Stereokamera angeboten, die den meisten Assistenzsystemen eine neue Dimension ermöglicht. Beide Kameras blicken mit einem 20 Zentimeter versetzten Abstand durch die Frontscheibe. Abstände nach vorn können so, statt bisher geschätzt, genau berechnet werden. Diese präzisen Daten helfen den Assistenzsystemen, wie zum Beispiel dem Bremsassistenten, klarere und verzögerungsfrei Entscheidungen zu treffen. Zu spüren ist das am deutlichsten, zumindest wenn man den gefährlichen Teil ausblendet, beim “teilautonomen” Fahren. Der Fahrer kann sich bis 60km/h zurücklehnen – die S-Klasse übernimmt.



    Die Leidenschaft?


    Nicht im Sound. Nicht in den Emotionen. Ganz bestimmt nicht. Sie steckt im Detail. Und das merkt man! Das Geräuschniveau gehört wahrscheinlich zum Besten, was derzeit auf vier Rädern rollt. Das Anheben der Stimme ist bis 200km/h nicht nötig. Das Gefühl für Geschwindigkeit ist völlig verloren. Ist man innerorts bei wenig Verkehr unaufmerksam, hupt einen der Hintermann zügig wieder zurück in die Realität, wenn man mit 40 durch die Ortschaft siecht. Einige Stunden später ertappt man sich, im Bereich des Fahrverbots zu gleiten. Dieser Grat an Perfektion ist es, der die S-Klasse von 7er und A8 tatsächlich unterscheidet – es ist die Leidenschaft.



    Der herbe Rückschlag


    Keine 24h alt, keine 500km gelaufen – und schon der erste Werkstattaufenthalt. Der Albtraum eines jeden Herstellers. Nach der halbjährlichen Gebisskontrolle, steigen wir am Morgen in den Benz. Ein “Bling” ertönt, wir ahnen Böses. “Lenkhilfe ausgefallen” – puh, nochmal Glück gehabt, dachten wir. “Bestimmt nur ein Assistent!”, schallt es durch den Innenraum. Weit gefehlt – im Daimlerdeutsch steht das für die elektrische Lenkunterstützung. Wer schon einmal einen alten Polo ohne Servolenkung gefahren ist, erinnert sich vielleicht. Mit so einem Dickschiff hat das Lachen allerdings ein Ende. Richtig uncool wird es, wenn Du beim Linksabbiegen zurückstoßen musst. Da bleibt es nur, den zweifelnden Gesichtern entgegen zu winken und sich schnell vom auftretenden Verkehrschaos zu verziehen – ab in die Werkstatt!



    Schon beim nächsten Neustart trat das Problem nicht mehr auf. Das Diagnosegerät sollte allerdings Klarheit schaffen. Es dauerte einige Zeit, bis das Problem auf den Werkstattmeister und drei seiner Kollegen eskaliert war. Das Ergebnis dementsprechend fatal. Man dürfe die Reparatur in dieser Niederlassung nicht vornehmen, da es sich um einen Hybriden handele. Ungefähre Dauer der Maßnahme: drei Wochen. Aufwand im fünfstelligen Bereich, denn die komplette Lenkung, die auch in der Hybridtechnik hängt, müsse getauscht werden. Der Verlust der Lenkhilfe könne in diesem Zustand jederzeit wieder auftreten – auch während der Fahrt.



    Das Fazit


    Der S 300 Dieselhybrid ist eine interessante Möglichkeit und ein Blick in die Zukunft. Würden wir diese Motorisierung wählen? Wohl eher nicht. Der Griff zum preisidentischen Sechszylinder erscheint uns als der sichere. Steht der Preis weniger im Vordergrund, wäre ein Benziner ab dem 500er die Empfehlung.



    Die aktuelle S-Klasse setzt in Sachen Fahrerassistenz, Sicherheit und Fahrkomfort Maßstäbe. Ein starker Dieselmotor und die hauseigene 9G-TRONIC lassen jedoch noch Raum für Verbesserungen bis zur Modellpflege.


    Ist die S-Klasse die beste Luxuslimousine der Welt? Nun, das kommt ganz drauf an. Sie ist ein Fanal der Entspannung, so souverän wie möglich, gleichzeitig nicht zu konservativ. Trotz High-End Technik bleibt sie klassisch genug, die Ablenkung des Fahrers minimal zu halten und fährt damit der Konkurrenz davon.


  • Vielen Dank für den Bericht.



    Mit dem Verbrauch ist das so eine Sache kommt auch immer auf die Fahrweise an, aber selbst bei passivster Fahrweise komm ich, egal welcher Hersteller, nie an den ausgewiesenen Durchschnittsverbrauch dran ?(

  • Ich finde auf jeden Fall das Hybridkonzept verglichen mit anderen mal sinnvoll - einem kleinen Diesel mit Elektromotor kann man den Gedanken der Verbrauchssenkung besser abnehmen als einem großen Benziner mit Elektromotor.


    Der Bericht hat mich übrigens sehr erfreut, besonders die Stelle
    "Immerhin prallt unsere höchstdynamische Lebensart mit den Begriffen “Mercedes-Benz”, “Vierzylinder-Diesel” und “Hybrid” zusammen."
    :D

  • Der kleine E-Motor ist sowieso nur als zeitweiliger Boost oder für praktisch geräuschloses Anfahren und Dahingleiten konzipiert. Es ist jedes Mal schön, wenn der grob artikulierende, in der S-Klasse dankbarerweise gut gedämmte 2,1-Liter-Vierzylinder-Ölmotor mal kurz Sendepause hat. Angesichts des schwach ausgelegten Zusatzboostes (20 kW bzw. 250 Nm) darf man jedoch nicht zu viel erwarten. Richtig interessant wird es mit dem Plug-In Hybriden, dessen E-Motor deutlich mehr leistet und an die Steckdose darf. Aber die Verlockung ist beim S 500 Plug-In Hybrid (V6-Verbrenner) auch zu groß, dann doch den preisgleichen V8 zu nehmen...


    Doch ich begrüße es, dass Mercedes den S 250 CDI des Vorgängers rekultiviert und um ein sinnvolles Update erweitert hat. Die Preisgleichheit zum S 350 Bluetec lässt zwar auch mich nicht umstimmen - bzw. ich bin zu konservativ -, aber selbst das günstigste Hybridsystem ist aufwendig und kostspielig, der Vierzylinder in der S-Klasse immer noch eine Aussage mit Symbolcharakter. Wirklich störend erhebt er seine Stimme nicht, sondern brabbelt in seinen Grundzügen den typischen V8-Bass herab. Drückt man dann natürlich auf's Gaspedal, erkennt man sofort, dass eine Hälfte des V8 fehlt. :whistling:


    Ich finde den S 300 BlueTec Hybrid nach wie vor interessant, zeigt er doch anschaulich, dass das Wesen der S-Klasse eben nicht der Motor ist. Sparen ohne Verzicht also. Er fördert zudem die gesittete Art der Fortbewegung im Eco- oder Comfort-Modus. Mir gefällt die Sänfte und als Mitfahrer ist mir es zum Teil sogar recht, dass er nicht zu viel Schub entwickelt. Der S 350 Bluetec ist vielleicht die bessere Wahl, jedoch ist die S-Klasse mit Diesel-Hybrid bislang einzigartig. Beim A8 finden wir nur den wenig beliebten TFSI-Hybrid und bei BMW werden wir erst mit dem G11 "beglückt".


    Jedenfalls, und bevor ich es vergesse: Super geschriebener Bericht, das Lesen war ein Genuss! Und ich stimme in vielen Dingen überein.

  • Gibt auch den guten, aber seltenen, BMW ActiveHybrid 7


    Ich weiß, der 6-Zylinder-Benziner mit der Außenseiterrolle. Er hat keine Chance gegen die Dieselalternativen.


    Ich meinte konkret den Vierzylinder-Hybriden an bzw. überhaupt den Vierzylinder am Low-End. Im G11 kommt der Vierzylinder hybridisert sowie nun auch als Benziner. Der Benzin Plug-In Hybrid "328e" wird mit 245 PS ja schon fleißig getestet, aber sinnvoller sind in diesen schweren Limousinen sowieso die Selbstzünder. Sollte es nämlich wirklich mal "asap" auf der Bahn gehen, dann ist man um den Diesel wirklich dankbar. Und der Stadtverbrauch fällt mit kleiner Hubraumkapazität und E-Motor-Unterstützung eben auch annehmbar aus.


    Mercedes hat jedenfalls den richtigen Riecher bewiesen und es geht vierzylindrig-hybridisiert weiter. Ob man am Ende spart, steht auf einem anderen Blatt, aber der Wille zählt. Optisch gibt es bei "Entfall Typenbezeichnung" auch keinerlei Denunzierungsversuche.

  • Er zeigt dass es im Alltag kaum Verbrauchsvorteile gibt und somit der Sinn so ein Fahrzeug dem 350 bluetec vorzuziehen nicht wirklich gegeben ist. Bei großen Benzinern ist der verbwuchsvorteil in der Regel deutlich größer.


    Nö. Bei gleichem Fahrprofil wie beim TE wird auch ein Benziner Hybrid mehr verbrauchen als ein reiner Benziner. Bei 200km/h bringt der eMotor nix außer als sinnloser ballast mitzufahren.

  • So sinnlose Autos

    ... für den Kunden der viel BAB bei hoher Geschwindigkeit fährt.
    In China sind solche Autos willkommen, aufgrund der hohen Steuer (Abhängig vom Hubraum)
    In Vmax begrentzten Ländern greift der Elektro-Antrieb deutlich effizienter ein
    usw.


    ... für Mercedes, BMW, Audi sind es Entwicklungsträger, um neue & teure Technologien anzubieten und in Real zu erproben.


    Ich finds Klasse und würde so eine S300L Bluetec Hybrid gerne mal fahren. Vorzugsweise ohne Lenkprobleme ;-) Danke für den Bericht!

  • Nö. Bei gleichem Fahrprofil wie beim TE wird auch ein Benziner Hybrid mehr verbrauchen als ein reiner Benziner. Bei 200km/h bringt der eMotor nix außer als sinnloser ballast mitzufahren.


    Der Thread-Ersteller wird sicher nicht nur auf der BAB unterwegs gewesen sein. Ich selbst fahre regelmäßig mit einem S350 Bluetec in lang im Stadtverkehr, da nimmt der sich 7,5-9 Liter. Soviel potential ist da einfach nicht als dass es sich lohnen würde.


    Das Einsparpotential beim Diesel-Hybrid ist einfach viel geringer als beim Benziner-Hybrid. Das mehrgewicht durch die ganzen Hybridkomponenten frisst die Ersparnis fast wieder auf.


    Dazu kommen Kaltstartverhalten, spontanes ansprechen, Laufruhe, Abgasreinigung, Gewicht, Bauraum etc. die beim Diesel deutlich schlechter sind... Ich gehe ja mit dass es schon Sinn macht einen Diesel für die Langstrecke und den Elektromotor für die Stadt, dann muss es aber ein Plug-In Hybrid sein mit mindestens 100km Reichweite. Alles andere ist Augenwischerei oder nur gut für den Flottenverbrauch.

  • Nö. Bei gleichem Fahrprofil wie beim TE wird auch ein Benziner Hybrid mehr verbrauchen als ein reiner Benziner. Bei 200km/h bringt der eMotor nix außer als sinnloser ballast mitzufahren.


    Das entsprach nicht wirklich dem Fahrprofil. 30% Stadt, 15% Landstraße, 55% Autobahn - und auf der BAB an den Hubraum angepasste Geschwindigkeiten (seltenst über 180).

    Geht beim Benz eigentlich auch der halbe Kofferraum flöten?


    So sinnlose Autos … beim A8 hybrid ist die Batterie auch in Nullkommanix leer.


    Kofferaumeinbußen sind auch beim Benz vorhanden. Die Batterien befinden sich hinter den Rücksitzen. Über den Daumen würde ich sagen, dass man ein Drittel des Volumens verliert.

    Der Thread-Ersteller wird sicher nicht nur auf der BAB unterwegs gewesen sein. Ich selbst fahre regelmäßig mit einem S350 Bluetec in lang im Stadtverkehr, da nimmt der sich 7,5-9 Liter. Soviel potential ist da einfach nicht als dass es sich lohnen würde.


    Das Einsparpotential beim Diesel-Hybrid ist einfach viel geringer als beim Benziner-Hybrid. Das mehrgewicht durch die ganzen Hybridkomponenten frisst die Ersparnis fast wieder auf.


    Dazu kommen Kaltstartverhalten, spontanes ansprechen, Laufruhe, Abgasreinigung, Gewicht, Bauraum etc. die beim Diesel deutlich schlechter sind... Ich gehe ja mit dass es schon Sinn macht einen Diesel für die Langstrecke und den Elektromotor für die Stadt, dann muss es aber ein Plug-In Hybrid sein mit mindestens 100km Reichweite. Alles andere ist Augenwischerei oder nur gut für den Flottenverbrauch.


    Uneingeschränkt richtig!