Ich bin endlich dazu gekommen, meine Erfahrungen mit dem i4 zu teilen. In diesen drei Monaten habe ich auch den Großteil des Jahresurlaubs recht aktiv aufgebraucht und dazu auch mal von Polen oder England gearbeitet – daher hatte ich eigentlich nicht mal zeit für Fotos, geschweige Bericht. Aber ich mache mit jetzt mal Mühe, zumindest den Bericht nachzuholen.
Warum i4?
Der i4 ist immer noch ein Exot auf den deutschen Straßen. Das dürfte vor allem an den Produktionskapazitäten von BMW liegen, die teilweise so niedrig waren, dass man mit bis zu 24 Monaten Lieferzeit rechnen musste. Deswegen würde ich davon ausgehen, dass die meisten i4-Fahrer das Auto wirklich wollten, wenn sie den Leidensweg einer Bestellung bei BMW betreten und durchgezogen haben (ich kenne aus diversen Foren auch einige, die storniert haben).
Für mich war der i4 hingegen eine recht zufällige Geschichte. Ich habe ihn als Firmenwagen ausgesucht, und zwar aus eher formalen, als rationalen Gründen
- Ich wollte kein SUV, und bei der vorliegenden Auswahl durch den Arbeitgeber (z. B., kein Tesla) gab es in diesem Segment im Frühjahr 2022 eigentlich nur den i4 und Polestar/Volvo. Evtl. hätte ich mich noch mit ID5 (+sonstige VAG-Verpackungen für das Auto) oder Mach E anfreunden können.
- Ich habe ein Auto gebraucht, welches eine Lieferzeit von mindestens einem Jahr bietet, damit ich von der Ausnahmeregelung profitieren kann, die eine vorzeitige Bestellung ermöglicht. So viel Polestar/Volvo weg
- Durch interne Konditionen und Rabatte war der i4 insgesamt deutlich attraktiver als der Mach E
- ID5, auch in der Audi-Verpackung, löste bei mir irgendwie nur lange Weile aus. Als Škoda Enyaq Coupé RS fand ich den dagegen erträglich, jedoch winkte da über 24 Monate Lieferzeit plus weniger attraktive Rahmenbedingungen als beim i4.
Letztendlich wurde der Exot i4, der gerade so mit viel Ach und Krach und spürbarer Selbstbeteiligung (ohne wäre er nur nackt zu haben, und das Nackt von BMW wäre ein wirklich obszönes Nackt) in das Budget gepasst hat, zur einzigen Option, an der ich wirklich Vorfreude hatte 😊
Konfiguration & Abschweifer zur BMW-App
Bestellt habe ich Folgendes. Also nackt + Orange als Farbe, Schiebedach, Harman Kardon, Lordosenstützen, Sitz- und Lenkradheizung, Abstandstempomat, Head-Up, FLA.
Zu meiner Verteidigung:
- Ich wollte unbedingt eine Farbe abseits von schwarz-weiß-grau-silbern. Und finde immer noch, dass Orange die schönste Wahl ist. Evtl. neben weiß mit blauen Akzenten (da muss ich zugeben, dass das Weiß dank der Akzente wirklich gut funktioniert) und Portimao Blau (welches halt in etwa wie meine Gesamtausstattung kostet)
- Die Zuzahlung für das Dach gab´s von der Verwandtschaft zum Geburtstag
Was mir wirklich fehlt ist der Komfortzugang. Bis auf Mii Electric hatte jedes Auto, welches bislang in meinem besitz warm, den schlüssellosen Zugang (selbst der Renault Laguna BJ 2005) und ich habe einfach kein Verständnis dafür, dass ein Wagen mit 60 k BLP mit aller nötigen Hardware keinen bietet. Habe mich echt immer noch nicht daran gewohnt, immer wieder nach dem Schlüssel suchen zu müssen. Über die BMW-App kann man das Fahrzeug übrigens schließen und öffnen. Bis die App aber geladen hat, man sich mit Fingerabdruck authentifiziert hat und das Signal beim Fahrzeug angekommen ist (dauert noch so 1-2 Sekunden), ist man mit dem Schlüssel doch schneller dran. Witzig ist übrigens, dass man mit der App sieht, ob Fester, Türen und Dach verriegelt sind. Aber Man kann die Fenster und das Dach nicht per App schließen. Warum? Weiß der Geier, warum. Finde ich wirklich unerklärlich und unterirdisch schlecht umgesetzt.
Ansonsten ist die App einfach nur schlecht für 2023 in vielen Hinsichten. Das Widget dazu zeigt z. B. in der Regel nicht den aktuellen Akkustand usw. an. Geht man in die App, werden die Daten aktualisiert. Aber wozu ist dann das Widget da und warum schafft man es nicht, die Anzeige aktuell zu halten?.. Und manchmal wird auch in der App erstmal auch falsch angezeigt. Sorry, aber das darf man 2023 nicht bringen. So manches chinesische Smarthome-Produkt von Noname-Hersteller schafft das besser und zuverlässiger als das deutsche Premium für 60 k.
I4 als Elektroauto
Ich würde sagen, dass i4 die Klasse von Elektroautos darstellt, bei denen man eigentlich keine Einbußen gegenüber einem Verbrenner eingeht. Ich bin inzwischen bei knapp 23 k km in etwas mehr als drei Monaten – also kann man ihm wohl eine gewisse Langstreckentaugichkeit nicht absprechen.
Der Durchschnittsverbrauch stieg von August über September nach Oktober von 16,8 über 17,8 auf 18,3 kWh – wahrscheinlich vor allem aufgrund der sinkenden Temperaturen. Es ist ein hohen Autobahn-Anteil dabei. Meistens mit Tempomat auf 132 kmh wo 120+ erlaubt ist. Schneller zu fahren bringt auf Langstrecke meinem empirischen Empfinden nichts, da man eben mehr laden muss. Aber bei dem Verbrauch ist auch Tempomat 160 und mal auch 190 dabei – wenn ich kürzere Strecken fahre oder weiß dass das schneller Laden keine Extra-Stopps verursachen wird.
Mein gewohntes Tempo für die Langstrecke war 800-1000 km pro Tag. Grob gesagt, reichen 90% (100%-10%) für 400 km, dann lädt man in 15 Minuten von 10 auf 60% auf und kommt damit 200 km weit. Also brauche ich für 800 km 2 x 15 Minuten aufzuladen, für 100 km 3x 15 min aufzuladen. Das geht extrem flott und nur selten habe ich tatsächlich nur so wenige Pausen gemacht.
Die meisten Langstreckenfahrten habe ich außerdem auf Blablacar angeboten und es hat sich nie jemand beschwert. Eher empfinden die Mitfahrer die Ladestopps als das Mindeste an Pausen, welches sein muss. Und kommen öfters mal später aus der Pipi-Pause, als die 60% geladen sind. Blablacar macht das Planen der Ladestopps etwas aufwändiger, da ich mich nicht einfach auf das BMW-Navi verlassen kann. Wäre doch etwas blöd, drei Leute zusteigen zu lassen, um sofort zur Ladesäule zu fahren.
Ansonsten kann man sich aber eigentlich auf das BMW-Navi gut verlassen, was Ladestopps angeht. Nur kann er wirklich nervig werden, wenn man an der Destination mit weniger als 10% ankommt und wird wirklich aufdringlich mit dem Versuch, um jeden Preis irgendwo davor zu laden. Dabei glaube ich, den Grenzwert auf 5% herabgesetzt zu haben. Muss ich mal nachschauen.
Absolut toll kann der i4 klimatisieren. Ob heiß oder kalt, spürt man einen deutlichen Unterschied, selbst wenn man vergesslich war und die Vorklimatisierung nur für buchstäblich paar Minuten an hatte. Glücklicherweise ist übrigens die Wärmepumpe Basisausstattung beim i4. Ich kann mir immer noch nicht erklären, wie die zuständigen BWLer das verpennt haben.
Die wenigen Nachteile in Sachen Elektroauto:
- Fehlender Frunk – Platz dafür ist zumindest ohne Allrad auf jeden Fall da. Lässt sich nachrüsten, was ich auch gemacht habe und womit ich ganz zufrieden bin – extrem bequem auf Langstrecke mit viel Gepäck, wenn man nicht im Koffereraum rumwühlen muss, um an das Ladekabel zu wühlen, das eigentlich in einem Abteil unter dem Gepäckfach untergebracht ist. Theoretisch sollte man die Frontklappe nicht zu oft öffnen, da sie dafür nicht gebaut ist. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum BMW den Frunk nicht selbst einbaut. Aber ich mache den nur wöchentlich auf und hoffe mal, dass die Frontklappe daran keine Schäden erleidet
- Der Kardantunnel ist da
- Keine richtige Steckdose – wie bei recht vielen anderen E-Fahrzeugen, für mich eigentlich unverständlich, warum man sich nicht bissl Mühe gibt, ne 220V-Steckdose irgendwo reinzuhauen. Finde ich extrem praktisch bei Autos, die welche haben. Und es gibt ja selbst PHEVs, die eine bieten.
Schlüssel
Darauf gehe ich nur extra ein, weil ich das Ding irgendwie richtig peinlich finde.
Sieht zwar in Ordnung aus, aber wiegt gar nichts und man merk sofort, dass es sich um einen Fetzen Plastik handelt. Irgendwie alles andere als wertig. Ein bisschen Metall statt chromfarbener Kunststoff würden das Ding auf jeden Fall aufwerten. Wahrscheinlich hätten 10€ Mehrkosten gereicht, um das Accessoire auf eine völlig andere Ebene zu bringen.
Noch peinlicher – etwa jedes 10-15. Mal wird der Schlüssel nicht erkannt und man wird aufgefordert, ihn an die Lenksäule zu halten. Dann springt das Fahrzeug an. Das konnte mein Renault Laguna BJ 2005 auch deutlich besser. Und gefühlt jeder Mietwagen. Ach ja, nach dem Anspringen bleibt die Fehlermeldung und muss noch extra weggeklickt werden.
Assistenz
Dazu kann ich gar nicht so viel berichten, da weder Driving Assistant, noch Driving Assistant Pro, noch Parking Assistant Plus an Bord. Die dafür abgerufenen Preise fand ich sehr überzogen: 320 € für das Spiegelpaket (bei dem ich ansonsten nicht wüsste, warum man den bestellen soll) + 900/2300/700 €. Finde ich weltfremd für das Gebotene. Gibt wahrscheinlich Mitbewerber, die das Ganze in der Basis bieten.
An Bord sind von den kostenpflichtigen Sachen FLA und ACC. Die funktionieren eben gut/normal.
Aus der Basis gibt´s noch z.B. den normalen Parkassistanten. Bei wenigen Versuchen den zu nutzen, hatte er recht komische Probleme mit der Erkennung von Parkplätzen und ich habe es damit sein lassen. Vielleicht waren die Parklücken aber auch wirklich etwas komisch, keine Ahnung.
Ziemlich gut und zuverlässig ist die Verkehrszeichenerkennung. Auch inkl. Zeitbeschränkter Begrenzung und sogar nasse Fahrbahn. Ab und zu passieren auch Patzer, aber wirklich selten. Im Vergleich zum Corsa davor auf jeden Fall eine deutliche Steigerung.
Ziemlich geil finde ich außerdem die adaptive Rekuperation. Hat man kein Fuß auf dem Gaspedal und den Tempomaten nicht an, fängt das Fahrzeug vorausschauend mit der Rekuperation an, wenn man vor einer Geschwindigkeitsbegrenzung, Kreisel oder Kreuzung ist oder wenn man zu nah an einem Fahrzeug ist oder bald abbiegt. Hiermit entfällt für mich eigentlich der Bedarf nach dem Umschalten in den B-Modus – bei Bedarf Fuß von Gas und das Fahrzeug rekuperiert genau richtig. Finde ich deutlich angenehmer als den normalen B-Modus.
Infotaiment und Bildschirme
Hier hat BMW meiner Meinung nach den Sweet Sport getroffen. Schön groß und übersichtlich ist der relativ großzügige Curved-Bildschirm. Und erstreckt sich auch hinter das Lenkrad, wo man als Fahrer davon gut profitiert. Hier schlägt BMW meiner Meinung nach so ziemlich alle Konkurrenten (bis auf MBUX – aber auch das eher aus der Sicht des Beifahrers). Die Interaktion per Sprachsteuerung funktioniert auch ganz gut.
Und der HUD von BMW bleibt für mich der beste auf dem Markt (zumindest im Bereich, den ich selbst erlebt habe). Ich finde sogar, dass man tatsächlich von 3 Anzeigen vom Navi (großer Bildschirm, Anzeige hinter dem Lenkrad und HUD) irgendwie profitiert und bei besonders unübersichtlichen Kreuzungen aus drei etwas unterschiedlichen Anzeigen immer ableiten kann, wohin man nun abbiegen soll. Einziger klitzekleiner Wermutstropfen – HUD zeigt keine Karte bei der Nutzung von Google Maps an (aber dafür, wann man demnächst abbiegen soll).
Als Sound habe ich H&K. Verrichtet seinen Job erwartungsgemäß gut.
Fahrgefühl
Ich finde, dass das Fahrzeug genauso fährt, wie man es von einem heckgetriebenen, mit genügend PS ausgestatteten E-Wagen erwartet. Die Power ist immer in genügender Menge da, und zwar sofort. Die maximale Beschleunigung fühlt sich irgendwie brachialer an, als man es bei 5.6 Sekunden von 0 auf 100 vermuten würde. Längeres spaßiges Fahren im Sport-Modus wird für Insassen schnell stressig für die Fahrgäste, die immer wieder mit dem Kopf gegen Kopfstützen aufstoßen – was keine Kritik sein soll
Der Heck kann bei schwerem Gasfuß und nasser Fahrbahn etwas unruhig werden - aber was würde man ansonsten auch erwarten. Und die Unruh regelt das Auto dann von sich aus ganz souverän und schnell.
Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht, ob ein Upgrade zum eDrive50 mir was gebracht hätte. Wahrscheinlich würde ich nur paar mal die Kraft ausschöpfen, dauerhaft auf den Komfortmodus umstellen und nur sehr selten die extra 204 Pferdchen wahrnehmen\abrufen.
Ach ja, ein Manko gibt es – die Begrenzung auf 193 kmh laut Tacho. Warum man nicht zumindest 200 oder gar 220-230 gegangen ist, kann ich nicht verstehen. Der i4 gehört zu den Autos, die gefühlt mit am muntersten über 160 kmh weiterhin beschleunigen, und dann ist plötzlich bei 190-193 kmh Schluss. Klar, braucht man das nicht im Alltag eines Elektroautos. Aber warum dem Fahrer nicht die Möglichkeit lassen, paar mal pro Jahr ein extra Grinsen ins Gesicht zu zaubern?...
Bilder
Davon habe ich leider echt wenige, irgendwie nie Zeit gemacht in entsprechender Umgebung.
Der Frunk dazu
Fazit
Auch wenn ich bei einigen Punkten hier sehr kritisch bin, ist der i4 ein faszinierendes E-Auto. Einen Großteil der Abstriche kriegt man eben mit extra 10-15 k Budget weg, und dann blieben nur Kleinigkeiten, die aus der nicht-nativen Elektro-Plattform resultieren, peinlicher Schlüssel und peinliche Interaktion über App sowie ein etwas zu puristisches Glasschiebedach. Sowie die komische Abrieglung bei 190.
Dafür ist der i4 meiner Meinung nach vollumfänglich langstreckentauglich, hat (im Auge eines an überdimensionierte Nieren gewohnten Betrachters) eine ansprechende, sportliche und nicht allzu unkonventionelle Optik und ein stimmiges Angebot an Infotaiment. Die Interaktion zwischen Fahrer und Fahrzeug passt auch.