Nachdem im Forum doch die ein oder andere Nachfrage (vorsichtig formuliert) zum einfahren eines neuen PKWs kam, habe ich mir mal die Mühe gemacht und das ganze Erklärt. Da der Zusammenhang nicht der allereinfachste ist, wird es etwas wissenschaftlich. Das ganze behandelt jetzt exemplarisch die Reibung zwischen Kolbenring und Zylinderwand.
Einlauf - die "alte Erklärung"
Zuerst einmal muss man wissen, was eigentlich da genau beim Einfahren passiert. Eine oft vertretene Meinung ist folgende: "Durch Fertigungstoleranzen sind die Oberflächen rauh, sie reiben dann beim ersten starten des Motors aneinander. Dabei schleifen sich die Rauhheitsspitzen gegeneinander ab, zb. von Kolbenring zu Zylinderwand. Hierbei entstehen Späne, wesshalb das langsam und vorsichtig passieren sollte". Um es kurz zu machen: Diese Erklärung ist vollkommen falsch, war aber "Stand der Technik" bis vor nicht allzulanger Zeit.
Zwei sehr einfache Argumente um diese These zu wiederlegen:
Wenn es tatsächlich so wäre, warum werden dann beide Oberflächen nach einer Weile nicht perfekt glatt?
Wie kann es sein, dass unter Umstände nach einem Einlauf die Oberflächen sogar rauher werden, als davor?
Einlauf - was tatsächlich passiert
Leider ist der Einlaufprozess doch ein ganzen Stück komplizierter. Wie wir ja wissen, sollte man einen Motor immer mit Öl betreiben - ohne kracht es dann doch recht schnell ;-). Im Reibkontakt kommt es also nicht zu einer Festkörperreibung (=> Kolbenring an Zylinderwand) sondern im Idealfall zu hydrodynamischer Reibung (Festkörper haben gar keinen Kontakt, sondern nur indirekt über das Motoröl) bzw. Mischreibung (eine Mischung aus beidem oben genannten). Es passiert nun folgendes: der Kolbenring gleitet vor allem auf dem Öl, ab und an "kracht" er auf die Zylinderwand. In diesen punkten haben wir dann lokal einen sehr starken Druckanstieg, ein paar winzige Teilchen vom Kolbenring werden gelöst, das gleiche mit der Zylinderwand und ausserdem wird das Öl zum Teil in seine physikalischen Bestandteile aufgelöst und - ganz wichtig! - zum Teil auch die Additive im Öl. Das ganze passiert dann bei laufendem Motor aufgrund der Geschwindigkeit sehr oft, es bildet sich also im Endeffekt eine Art "Matsch" aus Öl, den Metallen von Kolbenring und Zylinderwand, den zum Teil aufgelösten Bestandteilen der Additive usw. Dieser "Matsch" fängt auch an, in die Metalle von Kolbenring und Zylinderwand hereinzudiffundieren bzw. eigentlich sich mit den Oberflächen zu vermengen. Man kann tatsächlich davon reden, dass sämtliche Bestandteile ineinander verknetet werden. Dieses Gebilde nennt man dann auch den "3. Körper". Diese Schicht ist ca. ein paar hundert Nanometer dick, dabei lässt sich, zb. durch absputtern, die Zusammensetzung ermitteln. So besteht der Kolbenring an seiner Oberfläche tatsächlich nur zu einem kleinen Bruchteil aus Metall.
alles Klar?
Einlauf ist gleichzusetzen mit "vollständiges Aufbauen des 3. Körpers". Wie man sich vorstellen kann, kann man diesen 3. Körper größer, oder kleiner, schneller oder langsamer aufbauen.
Reibleistung
Das oben genannten jetzt erstmal kurz irgendwo wegspeichern. Das Maß, an dem man sieht wie "gesund" und wie gut ein Motor Eingelaufen ist, ist die Reibleistung.
Reibung definiert sich allgemein als Fr= mü * Fn
mit Fn=die Kraft, mit der man auf einen Körper "von oben" drückt (also nicht in Bewegungsrichtung)
Fr=die Kraft, die man braucht, um einen Körper mit konstanter Geschwindigkeit zu Bewegen
mü=Reibungskonstante (Konstante ist hierbei eigentlich das falsche Wort, aber das führt jetzt echt zu weit).
Wir müssen aber auf die Reibleistung kommen.
Leistung ist allgemein Arbeit pro Zeit, also P = W/t
Arbeit ist Kraft mal Weg, also W=F*s
Die Kraft können wir ja in F=Fn*mü umwandeln, so das wir zu
Pr=(Fr*mü*s)/(t) kommen. Da wir nun Weg pro Zeit hier stehen haben, was ja Geschwindigkeit ist, können wir umformen zu Pr=Fr*mü*v.
Diese Reibleistung kann man jetzt über die Zeit auftragen, wobei der Zeitpunkt Null den ersten Start des Motors darstellt. Siehe Bild (ich bin leider nicht in der Lage, ein Zeichenprogramm auf dem PC richtig zu bedienen, sorry).
[Blockierte Grafik: http://img30.imageshack.us/img30/753/einlauf.jpg]
Nach oben ist die Reibleistung, nach rechts die Zeit aufgetragen. te Bezeichnet hierbei den Punkt, an dem der Motor eingefahren ist. Die blaue Kurve bedeutet, dass der Motor mit zuviel Reibleistung (und damit zu hoher Last) eingefahren worden ist. Er wird innerhalb von kürzester Zeit defekt sein. Bei der roten Kurve wurde mit sehr wenig Reibleistung eingefahren. Nach dem Einfahren wächst jedoch die Reibung im Motor sehr langsam immer weiter, was nicht gewollt ist (dadurch weniger Leistung, geht früher kaputt etc.). Bei der grünen Kurve hat man es richtig gemacht, am Anfang war die Reibleistung recht hoch, sobald der Motor eingefahren war, steigt die Reibung im Motor näherungsweise gar nicht mehr, was zu mehr Leistung und einer längeren Haltbarkeit führt. Der Motor ist also optimal eingefahren.
Moment mal, habe ich nicht so groß rumerzählt, dass man einen Motor mit Vollgas einfährt und beweise mir jetzt das Gegenteil?
Nein!
Es ist bei Serienmotoren praktisch nicht möglich, den Motor mit zuviel eingebrachter Reibleistung einzufahren (ich rede hier explizit NICHT von irgendwelchen Prototypen, Rennmotoren oder sonstigem, sondern von Serienfahrzeugen). Erstens gibt es genug leute, denen es einfach egal ist, ob der Motor eingefahren werden muss und die das nicht beachten. Würde einem dann nach einer Autobahnfahrt der Motor um die Ohren fliegen, hätte das extrem schlechte publicity für den Hersteller zur Folge, was der natürlich tunlichst vermeiden will. Zweitens: wenn man den Motor mit zuviel eingebrachter Reibleistung einfährt, fliegt er einem innerhalb kürzester Zeit um die Ohren, also nach ein paar hundert Kilometern. Da das noch in der Garantiezeit ist, wird der Motor entsprechend ausgelegt, dass es eben nicht passiert.
Da wir nun also den blauen Teil ausschliessen können, ist es anzustreben, den Motor mit einer möglichst hohen last einzufahren, um den grünen Fall zu erreichen. Nicht zu vergessen ist hierbei, dass der Motor natürlich warm sein muss.
Es ist weiterhin nicht möglich, den Einlauf "nachzuholen", also erst mit zu geringer Reibleistung einlaufen und dann den "Vollgasanteil" Nachholen. Das müsst ihr mir jetzt einfach glauben, die Effekte dafür sind wesentlich komplizierter und zum Teil noch nicht mal richtig wissenschaftlich Erforscht.
So, ich hoffe ihr seid jetzt nicht erschlagen
Ich könnte das ganze hier und da noch deutlich ausführlicher schreiben, aber ich sitze an dem Text schon ne Weile und habe keine Lust mehr. Wenn noch Fragen sind....:D